Personenrätsel: Vielschreibend, feministisch und links

Nr. 19 –

Vielleicht lag es ja an ihrer sozialen Herkunft, dass ihr die Tinte so flott aus der Feder lief. Aber dass sie in ihrem Leben etwa 180 Bücher, zahlreiche sozialkritische Artikel und bis zu 40 000 Briefe schreiben würde, das konnten weder ihr Vater, ein Offizier adeliger Abstammung, noch ihre Mutter ahnen, die Hutmacherin war. Für möglich gehalten hatte das bestenfalls ihre Grossmutter, die die 1804 als Aurore Dupin Geborene nach dem frühen Tod des Vaters grosszog. Diese trug viel dazu bei, dass aus ihrer Enkelin eine unabhängige Denkerin wurde, eine gefeierte Romanautorin, eine entschiedene Republikanerin – und eine freche Feministin. Denn sie holte Aurore aus dem klösterlichen Internat, als sie erfuhr, dass sie Nonne werden wollte.

Zum Glück. Denn bald darauf nahm sich die Wissbegierige Freiheiten heraus, die im Frankreich des 19. Jahrhunderts nur Männern vorbehalten war. Sie propagierte und praktizierte – obwohl früh verheiratet und zweifache Mutter – die freie Liebe, trat in Männerkleidung auf, rauchte öffentlich Zigarren, unterstützte die 1830er-Revolution, begrüsste 1831 die Revolte der Lyoner SeidenweberInnen und thematisierte in ihren Romanen das Los der in halbfeudaler Abhängigkeit gehaltenen Frauen. «Leben! Es ist berauschend! Lieben, geliebt zu werden! Das ist das Glück! Der Himmel!», schrieb sie im Alter von 27 Jahren und fügte hinzu: «Unsere Devise ist die Freiheit.»

Siebzehn Jahre später – ihre langjährige Be­ziehung zu Frédéric Chopin war gerade zu En­­de gegangen– reiste sie wieder nach Paris, wo sie sich der Februarrevolution 1848 anschloss und das «Bulletin de la République» redigierte. «Ich habe das Volk gesehen», schrieb sie, «gross, erhaben, aufrichtig, weitherzig. Wir sind berauscht vor Freude darüber, dass wir, im Schlamm eingeschlafen, zwischen den Sternen erwachen.» Doch die Konterrevolution, der Tausende zum Opfer fielen, und der Staatsstreich von Louis Napoléon zerstörten ihre Träume: Sie half weiter flüchtigen RevolutionärInnen, zog sich danach aber aus der Politik zurück.

Wie lautet das Pseudonym der schreibenden Kommunistin, für die 1876 Victor Hugo die Grabrede hielt?

Wir fragten nach George Sand (1804–1876). Unter diesem (männlich klingenden) Namen wurde Aurore Dupin bekannt, die nach ihrer frühen Heirat offiziell Aurore Dudevant hiess. Und die schon in ihren frühen Romanen heute noch aktuelle Themen ansprach: Gleichheit, ­Eigen­tumsverhältnisse, die Beziehungen zwischen Kapital und Arbeit. Sie korrespondierte mit Karl Marx, kannte Michail Bakunin, arbeitete mit dem Utopisten Pierre Leroux zusammen, war mit Franz Liszt befreundet und wurde ihrerseits von Honoré de Balzac und Gustave Flaubert verehrt. Mehr ­In­formationen über Sand und das Frankreich der damaligen Zeit bietet der Kulturführer von Ramón Chao und Ignacio Ramonet: «Paris – Stadt der Rebellen» (Rotpunktverlag 2010).