Personenrätsel: Der anerkannte Sklave

Nr. 23 –

Auf seinem wohl bekanntesten Porträtfoto ähnelt er Karl Marx: wehendes Haupthaar, hohe Stirn, kräftige Nase, Rauschebart. Und er formulierte Sätze, die auch von dem deutschen Sozialisten hätten stammen können: «Von allen Sklavenhaltern, denen ich je begegnet bin, sind die religiösen die schlimmsten», schrieb er einmal. Und doch lebte der wie Marx 1818 Geborene in einer ganz anderen Welt – und wurde für seinen Widerstand vom Staat geehrt, was Marx zu Lebzeiten nie wiederfuhr. Das Licht erblickte der zeitlebens Tiefgläubige als Sohn der Sklavin Harriet Bailey in Talbot County (US-Bundesstaat Maryland); sein Vater war wahrscheinlich auch sein Besitzer. Schon als Kind wurde er an andere Sklavenhalter ausgeliehen und kam 1825 nach Baltimore, wo eine Herrin dem jungen Haussklaven Lesen und Schreiben beibrachte – ein klarer Verstoss gegen die damaligen Gesetze. Auch deswegen wurde er weiterverliehen und immer wieder ausgepeitscht, bis er im Alter von zwanzig Jahren fliehen konnte. Ein freier schwarzer Seemann hatte ihm seine Papiere gegeben.

Gänzlich unabhängig wurde Frederick Augustus Washington Bailey, der nach seiner Flucht den Namen änderte, erst acht Jahre später: Englische und irische FreundInnen kauften ihn frei. Zuvor war er in New York als glänzender Redner aufgefallen; seine Autobiografie «Das Leben eines amerikanischen Sklaven» (1845) fand reissenden Absatz. Zurück von einem zweijährigen Britannien-Aufenthalt, gründete er Publikationen zum Thema Sklavenbefreiung; seine Zeitung «North Star» trug beispielsweise das Motto «Das Recht hat kein Geschlecht, die Wahrheit keine Farbe». Der einzige Afroamerikaner, der an der ersten US-amerikanischen Frauenrechtskonferenz teil­nahm (1848), engagierte sich für die Aufhebung der Rassentrennung an den Schulen, verhalf SklavInnen zur Flucht, rief die Schwarzen zur Teilnahme am Bürgerkrieg auf und protestierte persönlich bei Abraham Lincoln, als er von deren schlechter Behandlung bei den Nordstaatentruppen erfuhr.

Wie heisst der Kämpfer für die Gleichheit von Mann und Frau, von Schwarz und Weiss, von Reich und Arm, der als erster Afroamerikaner für das Amt des US-Vizepräsidenten nominiert wurde?

Wir fragten nach dem Publizisten, Redner und Bürgerrechtler Frederick ­Douglass (1818–1895). Seine Rede auf dem Frauenkongress in Seneca Falls (1848) trug erheblich dazu bei, dass die anfangs eher zögerlichen Delegierten die Forderung nach dem Frauen­stimmrecht ­akzeptierten. Trotz vieler Auszeichnungen blieb Douglass kritisch. Abraham Lincoln war für ihn ein «Präsident des weissen Mannes», und das Amt des US-Botschafters in der ­Dominikanischen ­Republik gab er wegen der US-Aussenpolitik bald wieder auf. Im Alter von 66 Jahren sorgte er nochmals für Furore, als er seine zweite Ehe mit der zwanzig Jahre jüngeren weissen Feministin Helen Pitt schloss.