Ungarn: Rechtsradikaler Theaterdirektor

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Die Vorgänge in Ungarn nehmen die Züge einer rechten Kulturrevolution von oben an: Es begann mit fristlosen Entlassungen von JournalistInnen und Lizenzentzügen für regierungskritische Sender. Nun wird auch die Theaterszene von Premier Viktor Orban und seiner nationalistischen Regierungspartei Fidesz umgepflügt. Aktueller Höhepunkt: der vom Budapester Oberbürgermeister Istvan Talos gegen den Willen des Ensembles und das Votum einer unabhängigen Fachkommission durchgesetzte Stellenantritt des rechtsextremen Schauspielers György Dörner zum neuen Direktor des Budapester Neuen Theaters.

Nicht, dass staatliche Theater a priori frei von radikalen Gedanken sein müssten und sich ausschliesslich als «moralische Anstalten» verstehen sollten. Dass nun aber in Budapest das renommierte Neue Theater von einem bekennenden Anhänger der rechtsextremen Partei Jobbik geleitet wird, erschüttert nicht nur viele Menschen in Ungarn – Theaterschaffende aus ganz Europa haben sich dem Protest angeschlossen, viele Theater veröffentlichten entsprechende Erklärungen.

In Budapest haben sich am 1. Februar, dem Tag von Dörners Amtsantritt, mehrere Hundert Menschen vor dem Theater versammelt, um gegen die Wahl zu protestieren. Mehr als hundert Rechtsextreme, unter ihnen Uniformierte der verbotenen Ungarischen Garde, versuchten, die Demonstration mit antisemitischen Parolen zu stören.

In seiner Bewerbung soll Dörner versprochen haben, «mit der entarteten, krankhaften liberalen Hegemonie» aufzuräumen und «das unter dem sozialliberalen Joch ächzende Ungarntum» zu befreien. Adrian Riklin