Film: Kurven und Sackgassen
Zwei Paar nackte Füsse schleichen übers Parkett. Eine Tür wird zugezogen. Laut flüstert Livia (Alexandra Maria Lara) Marco (Sebastian Blomberg) zu, er solle leiser sein. Sie setzen sich vor den Fernseher, ziehen Kopfhörer über, horchen kurz auf – Reifenquietschen, ein Mucks aus dem Babyphone, ansonsten alles beklemmend still: Marco und Livia stecken in einer Beziehungskrise, und sie sind überfordert mit ihrem Kleinen, der jede Nacht durchschreit. Da hilft nur: Ab auf die Autobahn, wo das Kind endlich Ruhe findet.
Bei einer der Beruhigungsfahrten schnappen sich Claire und Jorge, zwei tollkühne Idioten (wunderbar: Carol Schuler und Georg Friedrich) das Auto – und damit auch den kleinen Schreihals. Eine Verfolgungsjagd durch die Nacht beginnt, die irgendwo zwischen Steinburgen und Talstein ziemlich durchzecht endet.
Es macht Spass, das Roadmovie von Christoph Schaub, dessen Drehbuch erneut von Martin Suter stammt: «Nachtlärm» ist so ganz anders geworden als Schaubs bisherige Filme («Giulias Verschwinden», 2009, «Happy New Year», 2008). Die letzte Version des Films entstehe in den ZuschauerInnen, sagt Schaub. Wenn man aus der filmischen Illusion austritt, kann man sich am Schauspiel und den Dialogen von «Nachtlärm» amüsieren und an Wiederholungen, Varianten wie Verschiebungen seinen Spass finden. Die Kurven, Wendungen und Sackgassen bringen ganz schön viel Bewegung in den Film, sodass man – wie die Figuren – ziemlich verwirrt ist und nicht mehr weiss, wo man sich nun gerade befindet. Selbst wenn die eine oder andere Kurve etwas harzig erwischt wird und das Ende ein wenig seicht ausfällt – «Nachtlärm» hinterlässt verwegenen Fahrtwind.
Übrigens: Für Filmmusik ist gesorgt, es liegen allerlei Tapes im Handschuhfach.
Nachtlärm. Regie: Christoph Schaub. Schweiz/Deutschland 2012. Ab 29. August in Deutschschweizer Kinos