Fussball und andere Randsportarten: Der schlafende Hass
Pedro Lenz über Sportjournalisten
Am letzten Donnerstag hatte ich einen freundschaftlichen Schwatz mit dem Fussballer Inler. Wir begegneten uns in Olten auf der Strasse und sprachen unter anderem über sein nächstes Spiel: «Wie seid ihr drauf? Glaubst du, dass ihr gewinnt?», fragte ich ihn. Es werde ein sehr schweres Auswärtsspiel, aber am Ende komme es bei ihnen ja meistens gut, sagte Inler und lachte herzerwärmend.
Nein, die Rede ist hier nicht von Gökhan Inler, dem Mittelfeldstar der SSC Napoli und Captain der Schweizer Fussballnationalmannschaft. Und das Spiel, über das wir redeten, war nicht das Länderspiel der Schweiz in Slowenien. Mein Gesprächspartner am Donnerstag der letzten Woche war Gökhan Inlers Bruder Volkan Inler, Routinier beim FC Trimbach. Obwohl der eine ein Star in Italien und der andere ein Werkhofarbeiter in Olten ist, haben die Gebrüder Inler eine wichtige Gemeinsamkeit: Sie machen den Menschen im Alltag Freude.
Lesen wir aber gewisse Online-Kommentare über unsere Fussballnationalmannschaft, dann könnte nicht nur den Brüdern Inler, sondern uns allen das Lächeln im Gesicht einfrieren. Die Boulevardpresse im Land lässt gegenwärtig keine Gelegenheit aus, an der Heimatliebe der Schweizer Nationalspieler zu zweifeln. Fast täglich lesen wir Schlagzeilen wie: «Granit Xhaka (19): ‹Viele Albaner sind stolz auf mich.›» Was auf den ersten «Blick» fast harmlos klingt, hat klar die Absicht, an die niederen Instinkte der Bevölkerung zu appellieren. Denn schon in der Unterzeile des erwähnten Titels lesen wir den Satz: «Es wird ein Spiel der Ehre und der ultimative Charaktertest.» Gemeint ist der Fussballmatch der Schweiz gegen Albanien. Und weil die Eltern von Granit Xhaka KosovarInnen sind, wird er nicht auf seine Fähigkeiten als Fussballer, sondern auf seine Herkunft angesprochen.
Granit Xhaka und seine vielen Fussballerkollegen mit ausländischen Vorfahren müssen jeden Tag beweisen, dass sie einen guten, will heissen einen schweizerischen Charakter haben. Und wenn der junge Mann wahrheitsgemäss sagt, dass viele Albaner stolz auf ihn sind, wird das auf «Blick-Online» zum Beispiel so kommentiert: «Das sind einfach keine richtigen Schweizer und werden es nie sein» (Gerhard von Allmen). Oder wenn Inlers und Xhakas Kollege Xherdan Shaqiri vom «Blick» gefragt wird, ob er sich vorstellen könne, in einer künftigen Nationalmannschaft des Kosovo zu spielen, und er diese hypothetische Frage bejaht, kommentiert Leser Martin Meier das so: «Für solche Aussagen, müsste man die gleich dort hin zurück schicken!» Und «Blick»-Leser Guerino Dal Santo bemerkt: «Soll er doch gehen. Man sieht hier wieder einmal die wirkliche Einstellung zur Schweiz.»
Aber den Sportreportern des «Blicks» genügt so viel fremdenfeindlicher Dreck noch nicht. Sie betonen in den gewohnt grossen Lettern, dass es in Luzern für die Schweizer Nationalmannschaft einen Spiessrutenlauf geben werde, weil 6000 Fans aus Albanien zu erwarten seien. Dies wiederum veranlasst einen gewissen Hans-Pi Rick zu schreiben: «Das ist wirklich nicht ganz einfach für Ottmar, 6000 histerische Albaner dazu eine halbe ‹Mannschaft› welche nicht weiss, ob ihr Herz jetzt für die Schweiz oder Albanien schlägt …»
Volkan Inler, mein Oltner Mitbürger und Regionalfussballer beim FC Trimbach, kennt diese Art von Sprüchen und Bemerkungen bestens. Rassismus gehört bei uns zu den normalen Alltagserfahrungen derer, die nicht Müller oder Meier heissen. Das allein ist schon verwerflich genug. Dass nun aber manche Sportjournalisten mit diesen Gefühlen spielen und der Polemik zuliebe immer wieder auf die Unterscheidung zwischen Eingeborenen und Secondos pochen, reizt einen, diese Bande von biederen Brandstiftern in eigenen Onlinekommentaren ebenfalls irgendwo hinzuschicken. Zum Beispiel in die Schule.
Pedro Lenz ist Schriftsteller und lebt in Olten. Wie sein Ko-Kolumnist Etrit Hasler ist auch er kein reinrassiger Schweizer, die Schweizer «Nati» unterstützt er trotzdem.