Sascha Ruefer: Der Schweizer­macher

Nr. 14 –

SRF-Kommentator Sascha Ruefer liess eine Aussage aus einer Doku über das Schweizer Fussballnationalteam entfernen. Angeblich fehlte der Kontext. Dabei war der Satz klar rassistisch.

Moderator Sascha Ruefer im Fernseh-Studio
Fachmann für Fussball beim Fernsehen: Moderator Sascha Ruefer. Foto: Oscar Alessio, SRF

«Granit Xhaka ist vieles, aber er ist kein Schweizer.» Das ist der Satz, den Sascha Ruefer gesagt haben soll. Sascha Ruefer ist jener Angestellte von SRF, der seit Jahr und Tag die Spiele der Schweizer Fussballnationalmannschaft kommentiert, Granit Xhaka jener aussergewöhnliche Mittelfeldspieler, der wie kein Zweiter diese Nationalmannschaft prägt. Und der Satz ist jener, von dem Ruefer und SRF auf keinen Fall wollten, dass man davon erfährt.

Obsession Herkunft

Aber alles der Reihe nach: Vor gut zwei Wochen erschien auf SRF die von der Firma Stories AG produzierte Dokuserie «The Pressure Game». In sechs Teilen schildert diese Vor- und Ablauf der Schweizer WM-Kampagne im vergangenen Winter in Katar. Die fabelhafte Serie vermittelt einen Eindruck, der sich auch im Titel niedergeschlagen hat: Sämtliche Protagonisten stehen andauernd unter gewaltigem Druck. In anderen Kontexten würde man von einem toxischen Arbeitsklima sprechen. Zu beobachten sind vom Ehrgeiz gezeichnete, einsame junge Sportler, deren Gefühlswelt sich an zwei Polen orientiert – Gewinnen und Verlieren. Doch manche Charaktere scheinen komplexer – vor allen Dingen jener des Captains Granit Xhaka. An dieser Komplexität arbeiten sich seit Jahren Journalist:innen ab. Stets zuvorderst bei den Kritiker:innen: Sascha Ruefer.

Wann das ständige Hinterfragen von Xhakas Persönlichkeit – und vor allem seiner Zugehörigkeit – begann, ist schwer zu sagen. Ein Schlüsselmoment war die WM 2018, das Spiel in Kaliningrad gegen Serbien und dort der Torjubel mit der Geste des Doppeladlers. Natürlich war es eine nationalistische Geste. Doch manifestierte sich darin auch die Migrationsgeschichte von Xhaka, dessen Eltern aus dem Kosovo stammen – und die Gleichzeitigkeit verschiedener Identitäten, typisch für Hunderttausende Secondos und Secondas in der Schweiz. Ruefer verdammte den Torjubel live auf Sendung. Der SRF-Mann tobte wie Rumpelstilzchen: «Bescheuert», «dämlich», «dumm» sei der Jubel. Den Kontext stellte er nicht her, Einbettung lieferte er keine.

Die Episode trägt Ruefer bis heute mit sich rum. Bei der WM in Katar war er zu Gast im «20 Minuten»-Fussballpodcast. Zuvor hatte die Schweiz erneut gegen Serbien gespielt, und Xhaka hatte sich nach massiven Provokationen gestenhaft in den Schritt gefasst. Die Leute hätten von seinem Benehmen die Schnauze voll, sagte Ruefer im Podcast. Ein Wiederholungstäter sei er. «Wenn mein Sohn das machen würde, würde es ‹häscheren›. Und wenn ich Trainer wäre: Es würde ‹häscheren›. Das sind keine Wertvorstellungen, die viele Leute haben und die sich ein Captain erlauben darf.»

Sascha Ruefer hält im Podcast inne, bevor er sich um Kopf und Kragen redet. Doch seine Fokussierung auf Granit Xhaka ist obsessiv, und oft landet er damit bei einem ekligen Punkt, nämlich bei der Frage, ob Xhaka wirklich reinpasst, ob er die Standards erfüllt. Standards, die Meinungsmacher wie Sascha Ruefer setzen. Seine neuste Forderung lautet, Xhaka müsse die Captainbinde abgeben. Ruefer, der Captainmacher? Oder sogar der Schweizermacher?

Problematische Passage entfernt

Eine Folge von «The Pressure Game» widmet sich dem Konflikt um Xhaka und darüber hinaus der Frage, wie viel Anerkennung eigentlich die Secondos in der Nationalmannschaft erfahren. Thematisiert werden die rassistischen Anfeindungen in den sozialen Medien und in den Leser:innenkommentaren beim «Blick». Granit Xhaka sagt einmal: «Wenn das immer wieder nach vorne kommt, das Thema Secondos, dann muss ich mir Gedanken machen, ob ich mir das wirklich immer weiter anhören will oder ob ich dann weg bin.»

In dieser Folge wird auch Sascha Ruefer befragt. Einmal nimmt er Bezug auf eine alte Kontroverse, als sich Xhaka vor einem Länderspiel ein Tattoo hatte stechen lassen: «Ich hab den Beat Feuz noch nie gesehen, dass er sich vor dem Lauberhornrennen hat ein Tattoo stechen lassen», sagt er, «das würde dem nie in den Sinn kommen.» Und schon geht es wieder um echte und nicht ganz so echte Schweizer.

Das Gespräch in der Dokuserie ist allerdings stark gekürzt worden. Gemäss «Aargauer Zeitung» hat Ruefer nach dem Rohschnitt vom Regisseur die Entfernung einer Aussage verlangt, die als «rassistisch ausgelegt werden könnte». Wie die WOZ von Beteiligten erfuhr, erörterte Sascha Ruefer am Set während eines langen Gesprächs die angeblichen Wesenszüge von Granit Xhaka. Immer wieder kam man zum Punkt, an dem das Interview für beendet erklärt wurde. Doch Ruefer redete weiter. Und soll schliesslich diesen Satz gesagt haben: «Granit Xhaka ist vieles, aber er ist kein Schweizer.» Granit Xhaka, der 1992 in Basel geboren wurde, der seit fünfzehn Jahren Nationalspieler der Schweiz ist.

Sascha Ruefer will sich dazu nicht äussern. Sein Sender sagt: «Beim Rohschnitt wurde eine Aussage unbeabsichtigt, aber missverständlich in einem anderen Kontext verwendet und damit das ganze Quote von Sascha Ruefer verfälscht.» Den Kontext will SRF aber nicht offenlegen. Es ist auch schwer vorstellbar, wie dieser sein könnte, damit Ruefers Aussage nicht so wirkt, wie sie es jetzt tut: unglaublich anmassend – und rassistisch.

WOZ Debatte

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Kommentare

Kommentar von chr_bopp

Do., 06.04.2023 - 00:15

Das ganze Trallalla würde sich erübrigen, wenn man das Epitheton „typisch“ (oder ähnlich) in Ruefers Aussage einfügen würde. Denn ein „typischer Schweizer“ ist Granit Xhaka sicher nicht. Ich würde sagen: Zum Glück nicht. Denn um hervorragend Fussball spielen zu können, ist das sicher nicht notwendig. Xhaka eckt an. Doppeladler und dergleichen wären auch nicht nötig.

Kommentar von Ravello

Do., 06.04.2023 - 16:26

Der Punkt ist, Ruefer hat eben nicht das Adjektiv „typisch“ verwendet. Damit entlarvt er sich klar als Rassisten. Ich schaue seit Jahren die Spiele der Nationalmannschaft auf TSR oder RSI. Das Geschwurbel von Ruefer tue ich mir nicht an.

Kommentar von aleuenbe@gmail.com

Fr., 07.04.2023 - 10:48

Der Punkt ist, dass man gar nicht weiss was er gesagt hat.

Kommentar von peter.gubler@s…

Fr., 07.04.2023 - 07:10

Ich habe Ruefis sprachliche Bilder liebgewonnen, seine echten Emotionen werden am Deutschen Fernsehen übertragen.

Trotzdem: Die Aussage ist rassistisch und geht gar nicht. Dieses Weltbild passt nicht zu dieser Nati. Wir identifizieren uns mit der Nati, WEIL die Secondos sie so stark gemacht haben. Insofern bildet sie die Situation in der CH ab.

Liebe Secondos und alle, welche noch in der Fünften Generation andere Einflüsse habt als Ruefer oder Höberli oder Zwygart:

Geduldet seid Ihr, ihr dürft für uns leisten, abliefern - aber bezeichnet euch nicht als Schweizer:innen, sonst fühlen sich die Ruefers und Häberlis und Zwygarts bedroht.

Ach ja, und die Nationalhymne müsst ihr mitsingen, sonst kriegt ihr wieder eins auf den Deckel.

Kommentar von Urs.zeder@bluewin.ch

Sa., 08.04.2023 - 14:17

Nationalhymne nicht mitsingen: Halb so schlimm! Schon die 1/1-Schweizer Köbis, Karlis & Herrmanns hatten das Mitsingen der Hymne verweigert (siehe SRF-Dok)!

Kommentar von UF

Sa., 08.04.2023 - 08:39

Vom Seeland aus sieht er halt nicht über den Jura, dass dort eine Gegend liegt die seit 1501 zur Eidgenossenschaft gehört und die schon immer inspiriert wurde durch Zuzüger, weiss er vielleicht einfach nicht...

Kommentar von arianes

Sa., 08.04.2023 - 11:57

Sascha Ruefer ist Schweizer. Granit Xhaka auch. Den "richtigen" Schweizer gibt es nicht. Entweder man/frau ist Schweizer*in, oder eben nicht. Die Frage ist viel mehr, ob Sascha Ruefer als Moderator der Nationalspiele taugt? Und das würde ich klar verneinen. Auf SRF3 werden die Spiele jeweils mit viel Witz und Verve vom Trio Lehmann / Melcher / Schnyder übertragen. Da geht es jeweils ganz um Fussball, ohne Polarisierungen und Verunglimpfungen. Mein Rat: Fernserher aus / Radio an.

Kommentar von duri

So., 09.04.2023 - 08:48

und jetzt veröffentlicht SRF und die Sonntagszeitung das gesamte Interview und siehe da: es ist ganz anders.
Liebe WoZ, hier wäre eine Entschuldigung angebracht.

Kommentar von Marquina

So., 09.04.2023 - 14:23

Dem Kommentar kann ich nur zustimmen. Fehler passieren, sollten aber von einer WOZ nicht all zu oft kommen. Eine Entschuldigung finde ich ebenfalls angebracht, ansonsten bleib das Bild der "Boulevard Presse" am Artikel und somit der WOZ kleben.

Kommentar von marioleimbacher

So., 09.04.2023 - 09:03

Ein aus dem Kontext gerissener Satz führt zu einer solchen Aussage, das kann nicht wahr sein! Ja, eine Entschuldigung wäre angebracht. Ich bin auch enttäuscht von der Woz.

Kommentar von hgaller

Mo., 10.04.2023 - 07:41

Ein Lifestyle Linker hat zugeschlagen