Kultour

Nr. 44 –

Konzert

«Songs for Kommeno»

Das Dorf Kommeno liegt im Westen des griechischen Festlands in der Region Epirus. Am 16. August 1943 wurden von Angehörigen der Deutschen Wehrmacht 172 Frauen und 145 Männer ermordet. 110 der Opfer waren unter fünfzehn Jahre alt. Die 1. deutsche Gebirgsdivision übte Rache, weil zwei Tage zuvor Widerstandskämpfer im Dorf Nahrungsmittel bekommen hatten.

Der in Dresden lebende Schlagzeuger Günter «Baby» Sommer hat eine musikalische und literarische Hommage geschrieben, die auf den Erinnerungen von Überlebenden und Originaldokumenten basiert (siehe WOZ Nr. 32/12). Am Projekt «Songs for Kommeno» sind mit Savina Yannatou (Stimme), Floros Floridis (Saxofon/Klarinette), Evgenios Voulgaris (Yayli Tanbur / Oud) und Spilios Kastanis (Bass) vier bedeutende griechische MusikerInnen beteiligt, die einen starken Bezug zur Musik ihrer Heimat haben.

Am 16. August 2012 fand in Kommeno die eindrückliche Premiere von «Songs for Kommeno» statt, bei der auch die gleichnamige CD vorgestellt wurde. Auf dem Dorfplatz waren gegen tausend Leute versammelt, als nach Worten des Gedenkens gegen Mitternacht das Konzert begann. Es war besonders ergreifend, als mit der 82-jährigen Maria Labri eine Augenzeugin des Massakers die Bühne betrat und den zentralen Klagegesang «Marias Miroloi» anstimmte.

Günter Sommer «Songs for Kommeno» in: 
Zürich Rote Fabrik, So, 4. November 2012, 19 Uhr. 
www.rotefabrik.ch

Fredi Bosshard

Ausstellung

Nakba

«Die Katastrophe» – Nakba – nennen die PalästinenserInnen die Ereignisse von 1947/48: Zu Hunderttausenden wurden sie aus ihren Häusern vertrieben. Ihr Besitz wurde beschlagnahmt, ganze Dörfer zerstört und der Staat Israel gegründet. Während eines Monats finden in Bern Veranstaltungen zur Nakba statt. Die Fotoausstellung «Flucht und Vertreibung der Palästinenser 1948» im Kornhaus dokumentiert die Ereignisse von damals und ihre Auswirkungen bis heute. Am Eröffnungsabend sind Iren Meier, Nahostkorrespondentin und Redaktorin bei Radio DRS, die grüne Gemeinderätin Regula Rytz und die Ausstellungsmacherin Ingrid Rumpf anwesend.

Spannende Filme zum Thema gibt es im Kino in der Reitschule: In «The Time That Remains» erzählt der israelische Palästinenser Elia Suleiman seine Familiengeschichte, Simone Bitton geht in «Rachel» der Geschichte der 23-jährigen Aktivistin Rachel Corrie nach, die 2003 im Gazastreifen von einem israelischen Bulldozer überrollt wurde. Im Schlachthaus-Theater ist das Theaterstück «Ich bin Yusuf und das ist mein Bruder» des palästinensischen Regisseurs Amir Nizar Zuabi zu sehen. Das Tojo-Theater zeigt mit «The Holycoaster S(hit) Circus» eine satirische, politisch unkorrekte Show des Kollektivs Pengpalast. Zahlreiche Podiumsdiskussionen, Gespräche und Referate runden das Thema ab.

Die Nakba in: Bern Kornhausforum, Kino in der Reitschule, Tojo Theater, Schlachthaus Theater, 
Aula Progr, Do, 1. November 2012, bis So, 2. Dezember 2012. www.nakbabern.ch

Silvia Süess

Festival

Andrej Tarkowskij

Achtzig Jahre alt wäre er dieses Jahr geworden: der russische Regisseur Andrej Tarkowskij. Der 1932 geborene und 1986 verstorbene Filmemacher gehört zu den ganz Grossen seines Metiers. Sieben Spielfilme hat Tarkowskij realisiert, die von unvergleichlicher Ästhetik sind und tiefgründige philosophische Fragen aufwerfen. Das Philosophicum im Ackermannshof Basel widmet dem Filmemacher nun ein kleines Festival. Zu sehen sind da natürlich auch «Solaris» (1972), «Der Spiegel» (1974) oder «Stalker» (1979). Die Ausstellung «Andrej Tarkowskij. Reflexionen» enthält Originaldokumente aus dem Familienarchiv seiner Schwester Marina Tarkowskaja. Sie wird das Festival eröffnen und die ersten Tage begleiten.

Dazu gibt es Theateraufführungen, Kurzworkshops, Gastgespräche sowie die Uraufführung einer Auftragskomposition des Schweizer Komponisten Wanja Aloe.

«Im Spiegel – Andrej Tarkowskji» in: Basel Ackermannshof, Stadtkino und weitere Orte. 
Do, 1. November 2012, bis So, 2. Dezember 2012. 
www.philosophicum.ch

Silvia Süess

Film

Unsere Schule

Die Ungleichheit fängt bei den Kleinsten an. Dies zeigt auf eindrückliche Weise der Dokumentarfilm «Notre École» von Mona Nicoara und Miruna Coca-Cozma. Die rumänischen Regisseurinnen haben während mehrerer Jahre Romakinder in einer rumänischen Kleinstadt begleitet. Die Stadt beteiligte sich an einem von der EU finanzierten Projekt, das Romakinder in reguläre Schulen integrieren will. Doch schnell wird klar, dass das Projekt zum Scheitern verurteilt ist, da vonseiten der Behörden und der Schule kein wirkliches Interesse an den Romakindern und deren Integration besteht. Anhand dreier ProtagonistInnen bringen uns Nicoara und Coca-Cozma die komplexe Situation der Roma näher.

«Notre École» in: Bern Kino Kunstmuseum, 
Fr, 2. November 2012, 18.30 Uhr; Sa, 3. November 2012, 
18 Uhr; So, 4. November 2012, 16.30 Uhr; 
Mi, 7. November 2012, 18.30 Uhr. Sa/So ist die Filmemacherin Miruna Coca-Cozma anwesend.

Silvia Süess

Lesung

Berg, Buch, Brig

Das Programm von «Berg, Buch, Brig» ist intensiv getaktet. Zum Eröffnungsabend haben die VeranstalterInnen Kulturschaffende aus dem benachbarten Berner Oberland eingeladen, genauer aus dem Diemtigtal. Die Talschaft, in der die mächtigen Bauernhäuser dominieren, ist mit dem renommierten Wakker-Preis ausgezeichnet worden und ist dabei, einen regionalen Naturpark einzurichten. Die schreibende Bäuerin Erika Wiedmer erzählt in Mundart aus ihrem Alltag: «Für nes Füfi Brot».

Am folgenden Tag heisst es bereits «Ustrinkata». Eine vergnügliche Runde versammelt sich um den runden Tisch und begiesst mit reichlich Alkohol den letzten Abend in der «Helvezia». Mit dem Roman «Ustrinkata» beschliesst der Bündner Autor Arno Camenisch eine 2009 begonnene erfolgreiche und sprachlich reizvolle Trilogie.

Neben literarischen Trouvaillen aus der Bergwelt sind auch einige Vorträge zu problematischen Seiten im Programm. David Volken referiert über «Klimawandel und Wasserressourcen», und Kurt Marti, der als Redaktor für die «Rote Anneliese» tätig war, berichtet unter dem Titel «Wallis – Tal des Schweigens» über Parteienfilz, Vetternwirtschaft, Bigotterie und Heuchelei.

Berg, Buch, Brig in: Brig-Glis Zeughaus Kultur, 
Mi, 7., bis So, 11. November 2012.

Fredi Bosshard

Arbeitervereine und Spanienkämpfer

Das Haus Neumarkt 5 in Zürich, in dem seit 1966 das Theater Neumarkt untergebracht ist, diente zunächst der Zunft der Schuhmacher als Treffpunkt. Nach der Französischen Revolution wurde das Haus verkauft, beherbergte eine Töchterschule und ging 1888 in den Besitz des Deutschen Arbeiterbildungsvereins Eintracht über.

Die Historikerin Karin Huser stellt nun daselbst ihr Buch über «Eintracht Zürich» vor, der die Liegenschaft zur Zeit des «Sozialistengesetzes» (ab 1878) in Deutschland zum Dreh- und Angelpunkt für Anführer des deutschen und österreichisch-ungarischen Sozialismus machte. Vor und während des Ersten Weltkriegs kamen russische Exilrevolutionäre dazu, darunter Lenin und Trotzki. Ab 1921 wurde das Haus zum Sitz der KP Schweiz und in den dreissiger Jahren zum Refugium der Schweizer SpanienkämpferInnen, die sich hier zur «Interessenvereinigung ehemaliger Schweizer Spanienkämpfer» formierten – nach dem 1939 verlorenen Kampf der Spanischen Republik wurden sie von Schweizer Militärgerichten zu Gefängnisstrafen und Aberkennung ihrer «bürgerlichen Ehrenhaftigkeit» verurteilt.

Über einen von ihnen, Männy Alt (1910–2000), hat der Filmemacher und Publizist Erich Schmid ein Buch herausgebracht, aus dem im Neumarkt zu Filmen und Bildern aus dem Spanischen Bürgerkrieg (1936–1939) gelesen wird. Anschliessend diskutieren neben Huser und Schmid WOZ-Autor Ralph Hug und SP-Ständerat Paul Rechsteiner, der sich für die Rehabilitierung der SpanienkämpferInnen eingesetzt hat.

Tags zuvor wird im Beisein von Eduardo Alonso Luengo (Spanische Botschaft), Stadtrat Martin Vollenwyder und Nationalrat Markus Hutter eine Gedenktafel von Bruno Kammerer montiert – zur Erinnerung an den aktiven Beitrag der rund 800 Schweizer Frauen und Männer zur internationalen Solidarität.

«Von Arbeitervereinen und Spanienkämpfern» 
in: Zürich Theater Neumarkt, Fr, 2. November 2012, 
15.30 Uhr: Enthüllung der Gedenktafel. 
Sa, 3. November 2012, 20 Uhr: Lesung und Diskussion.

Adrian Riklin