Kultour

Nr. 47 –

Festival

Saint Ghetto

Dirk von Lotzow, der Sänger der Hamburger Band Tocotronic, eröffnet das diesjährige Berner Festival Saint Ghetto zusammen mit dem Pianisten Thies Mynther als Phantom Ghost. Ihre assoziationsreiche Musik lässt sich zwischen Pop und elektronischer Tanzmusik ansiedeln. Ebenfalls aus Hamburg kommt der Schlagzeuger Sven Kacirek, der zum Programm des Schwermetallers Z’ev überleitet. Seine physischen Perkussionsklänge werden von David Maranhas Orgelklängen unterlegt.

Als vor drei Jahren «Lovetune for Vacuum» von Soap & Skin erschien, stand die Musikpresse unisono Kopf. Nun ist die Sängerin Anja Plaschg, die oft mit Exzentrikerinnen wie Nico, Kate Bush oder Diamanda Galás verglichen wird, erstmals mit einem Oktett unterwegs. The Legendary Pink Dots haben seit dreissig Jahren an ihrer traurig-schönen Popmusik gefeilt – zumindest ihr charismatischer Sänger Edward Ka-Spel und der Keyboarder, der als The Silver Man bekannt wurde.

Ebenfalls schon etwas in die Jahre gekommen sind Tuxedomoon und die Band des Gitarristen Rhys Chatham. Was nicht heissen soll, dass sie müde geworden sind. Chatham hat mit seinen Walls of Sound Furore gemacht, an der bis 200 GitarristInnen mitgewirkt haben. Für sein Bern Project wird er von Julian Sartorius am Schlagzeug und Mago Flück am Bass unterstützt. Esplendor Geometrico, ein heftiges spanisches Echo aus der Industrial-Szene, beendet das diesjährige Saint Ghetto.

Saint Ghetto in: Bern Dampfzentrale, 
Do, 22. November, 2012 20 Uhr; 
Fr/Sa, 23./24. November 2012, 20.30 Uhr. 
www.dampfzentrale.ch

Fredi Bosshard

Unerhört

Prominente Gäste, die mit MusikerInnen der Jazzschule Luzern auftreten, gehören zu den Konstanten des Zürcher Festivals Unerhört. Dieses Jahr präsentieren der Saxofonist Tim Berne und der Schlagzeuger Gerry Hemingway ein Large Ensemble aus Luzern.

Berne ist am folgenden Tag mit Lucas Niggli und der New Yorker Pianistin Angelica Sanchez (die auch solo zu Gast ist) gleich nochmals zu hören. Der Aufenthalt von Intakt-MusikerInnen im März in John Zorns legendärem New Yorker Club The Stone zeigt sich auch im Trio von Michael Jaeger mit Fabian Gisler (Bass) und Tom Rainey (Drums). Gleiches gilt für ein Duo, bei dem zwei ausgesprochene Melodiker zusammenfinden: Perkussionist Pierre Favre und Mark Feldman an der Violine.

Mit der Pianistin Aki Takase und Han Bennink sowie Sylvie Courvoisier und Mark Feldman finden sich zwei weitere Duoklassiker im Programm.

Dieses Jahr ist erstmals das SWR Newjazz Meeting ans Unerhört eingeladen. Der Kölner Tubaspieler Carl Ludwig Hübsch lässt das Festival mit Hübsch Acht unter dem Motto «Komposition – Kommunikation – gefährliche Manöver» ausklingen.

Unerhört! in: Zürich Rote Fabrik, 
Moods, Mehrspur, Bürgerasyl Pfrundhaus, 
Do–So, 22.–25. November 2012. 
www.unerhoert.ch

Fredi Bosshard

Theater

Freischwimmer

«Machen wir uns keine Illusionen», warnen die OrganisatorInnen des Theater- und Performancefestivals Freischwimmer: «Die neoliberale Verwertungsgesellschaft ist schon lange in der Kunst angekommen.»

Anlässlich des diesjährigen Freischwimmens im Zürcher Theaterhaus Gessnerallee soll das heissen: «Flieht, brecht aus, segelt los aus diesem System! Nutzt das Humankapital für sinnvolle Zwecke! Verbrennt singend in der Arbeit!»

Wie ernst, ironisch oder ernsthaft ironisch das gemeint ist, lässt sich in diesen Zeiten nicht gar so leicht bewerten. Das Programm zumindest ist vielversprechend.

Ein paar Beispiele: Luise Vogt wartet in «Ausbrennen» mit «Songs von der Selbstverwertung» auf; Thom Truong beschäftigt sich in «Invest in Me!» mit der «Ästhetik des Glaubens, die Welt verändern zu können»; Martin Schick verkauft in «Greece for Sale!» ganz Griechenland in Einzelteilchen, um so das freie Theaterhaus Vyrsodepsio in Athen finanziell zu unterstützen; und Markus & Markus zählen in «Polis3000:oratorio» auf die Unterstützung von Leuten wie Martin Luther (Übersetzung), Mel Gibson (Video), Pontius Pilatus (Raumkonzept), Mutter Teresa (medizinische Versorgung), Angela Merkel (Politik), Franz von Assisi (Kommunikation) und Jesus von Nazaret (Effekte).

Kurz vor Redaktionsschluss noch diese Meldung: Das Stadttheater.tv, auch bekannt als Theater 400asa, eröffnet die ersten «Neoliberalen Theatertage». Unter anderem mit folgenden Programmpunkten: «Die Schweiz sucht den neuen Mani Matter», «Mitleid mit dem Teufel» und «Messias/Obama».

«Freischwimmer» in: Zürich Theaterhaus Gessnerallee, Do, 22., bis Fr, 30. November 2012. 
www.gessnerallee.ch
«Neoliberale Theatertage» in: Zürich Perla-Mode, Sa, 24. November 2012, bis So, 2. Dezember 2012. 
www.stadttheater.tv

Adrian Riklin

Lesung

Die Gebirgspoeten

«Mir si muff, muff, muff, aber üs isch wohl eso», singen die Gebirgspoeten, bevor sie loslegen mit ihren kleinen Geschichten vom Lande. «Muff» ist auch der Titel der neuen CD der drei Autoren Rolf Hermann, Matto Kämpf und Achim Parterre, die das Trio «Die Gebirgspoeten» bilden. Kurz, witzig, böse, skurril und manchmal auch etwas plump sind die Anekdoten, die auf der CD zu hören sind. Sie handeln von Sandra Gubler, die so schön war, dass sie sich Sandy nannte, von Päuli, der Kreiselkünstler geworden ist, da er schon im Kindergarten so gern Mandalas ausgemalt hat, vom Underegg Hans, der mit seinen Kühen nach Schangnau an die Viehschau geht, und vom Visper Hobbyschafzüchterehepaar Kaschpi und Agnes Heinzmann, das das Küssen nur noch vom Fernsehen kennt.

Darüber hinaus geht es um die Schweiz von A bis Z. Das klingt dann zum Beispiel so: «M wie Metzgete: Dass me hüt nume no glücklechi Säu wott metzge, isch irgendwie o ne Widerspruch.»

Das Trio geht nun mit seiner neuen CD auf Lesetour. In der CD-Hülle ist übrigens auch ein Rezept abgedruckt: «Murmeli Sauce Réduit». Wie das geht, sei hier aber nicht verraten.

«Die Gebirgspoeten» in: Bern Café Kairo, 
Do, 22. November, 20 Uhr; Brig Mediathek, 
Sa, 24. November 2012, 20 Uhr; Albinen Altes Schulhaus, So, 25. November 2012, 10.30 Uhr. Weitere Daten: www.gebirgspoeten.ch

Silvia Süess

Musik und Diskussionen

La Gale und Malikah

Gradlinig und wütend kommen die Sätze daher, mit denen sie gegen soziale Missstände und gegen das Blut, das in dieser Welt vergossen wird, ansingt: Die Lausanner Rapperin Karine Guignard aka la Gale ist halb Schweizerin, halb Libanesin, kommt ursprünglich aus der Punkszene und ist momentan auch in Nicolas Wadimoffs Film «Opération Libertad» zu sehen.

Zu hören und zu sehen ist sie nun gemeinsam mit der libanesischen Rapperin Malikah in der von Terre des Femmes organisierten Veranstaltungsreihe «Voix des Femmes. Wie Frauen die Welt verändern», die heuer das Thema «Rollenbilder im öffentlichen Raum» aufgreift.

«Die postsexistische Gesellschaft» ist der Titel des Podiumsgesprächs, das ein paar Tage später stattfindet. Es diskutieren die Rapperin Malikah, der Journalist Bänz Friedli, Henry Hohmann, Kunsthistoriker und Kopräsident des Transgender Network Switzerland, und Natalie Trummer, Geschäftsleiterin von Terre des Femmes Schweiz. Moderation: Jennifer Khakshouri.

«Auf welcher Bühne spielen die Frauen?»: Unter diesem Titel wird auf einem weiteren Podium diskutiert, das im Rahmen der Kampagne «16 Tage gegen Gewalt an Frauen» stattfindet. Auch hier geht es um Rollenbilder und um Musik. Es diskutieren verschiedenen ProtagonistInnen über die geschlechterspezifischen Mechanismen in der Musikszene. Anschliessend tritt die Berner Musikerin Nadja Stoller auf.

La Gale und Malikah in: Bern Mahogany Hall, 
Do, 29. November 2012, 20.30 Uhr. 
www.mahogany.ch
Podiumsgespräche: «Auf welcher Bühne spielen 
die Frauen?» in: Bern Frauenraum der Reitschule, Sa, 1. Dezember 2012, 19 Uhr. 
www.frauenraum.ch
«Die postsexistische Gesellschaft» in: Bern Ono, 
So, 2. Dezember 2012, 11 Uhr, anschliessend Brunch. www.onobern.ch

Silvia Süess