100 Wörter: Die Mayas lagen falsch

Nr. 2 –

Weil er von Weltuntergangsprophezeiungen schon zu oft an der Nase herumgeführt worden war, wusste Kettenring, dass dieser ganze Mayakalenderunfug nur eines sein konnte: eine Enttäuschung. Denn keiner hätte den Weltuntergang als gerechter, notwendiger und überfälliger empfunden als Kettenring, dem das Leben schon so manchen üblen Streich gespielt hatte. In seinem Keller stapelten sich immer noch die Dosen mit den Pfirsichhälften, die ihn über die Zeit nach der Millenniumskatastrophe hätten retten sollen. Achtzehntausend Stück davon hatte er zusammengehamstert und schon nach der dritten verzehrten Dose festgestellt, dass diese Frucht seine Innereien in einen Zustand versetzte, dem sogar der Weltuntergang vorzuziehen war.

Stephan Pörtner ist Krimiautor («Köbi der Held», «Stirb schöner Engel») und lebt in Zürich. Für die WOZ schreibt er Geschichten, die aus exakt 100 Wörtern bestehen.