Diesseits von Gut und Böse: Bildungsrucksack 2.0

Nr. 15 –

Bildungsrucksack 2.0

Ich gehöre wirklich nicht zu den Leuten, die finden, früher sei alles besser gewesen, im Gegenteil.

Bis auf eins: In grauer, onlineloser Vorzeit konnte ich mir über den Geisteszustand meiner Mitmenschen noch Illusionen machen. Heute, in der Hochblüte von Webkommentar und Shitstorm, komme ich nicht umhin, der menschlichen Torheit ab und an ins ungeschminkte Antlitz zu blicken.

Kürzlich las ich auf «Tages-Anzeiger Online», dass Robert Franks Fotografie «Trolley – New Orleans» von 1955 für mehr als eine halbe Million Dollar versteigert worden sei. Von den überrissenen Preisen auf dem Kunstmarkt halte ich zwar gar nichts, doch das Foto selbst, das den rassengetrennten Alltag im Süden der damaligen USA zeigt, ist ein grandioses Zeitzeugnis.

Dazu schrieb im Internet ein Christian Buster: «Wie besoffen muss man sein um so viel für ein albernes Foto (Rassentrennung) auszugeben! Heute habe wir hier und Rest der Welt dutzende Parallelgesellschaften von Minderheiten die das mit Absicht so wollen!»

Das ist natürlich Herrn Busters gutes Recht und kein Grund zur Beunruhigung. Wirklich Sorgen werde ich mir erst machen, wenn InternetuserInnen jene Überlebenden, die auf Fotos von 1945 bei ihrer Befreiung aus dem Konzentrationslager froh in die Kamera winken, für Teilnehmer einer Pyjamaparty halten.