Diesseits von Gut und Böse: Enthüllungsjournalismus

Nr. 40 –

Es war zufällig der «Internationale Tag der älteren Menschen», als ich in der NZZ auf die Besprechung des neuen Buchs von Anne Cuneo stiess. Eine NZZ-Journalistin mit Jahrgang 1982 hatte die Autorin zum Gespräch getroffen.

Neben viel Wissenswertem las ich: «Passt ihr etwas nicht – zum Beispiel die Frage nach dem Alter –, lässt sie einen das sofort spüren: ‹Ich bin Schriftstellerin, mein Alter spielt keine Rolle›, stellt sie klar.» Offenbar nicht klar genug! Denn Anne Cuneos Alter wird nicht nur im Vorspann, sondern auch im Text dezidiert genannt.

Natürlich stammt die Regel, dass man Frauen nie nach dem Alter fragen dürfe, noch aus der Zeit, als diese für Kavaliere alter Schule bis an ihr Ende 39-jährig zu bleiben hatten. Heute macht der grassierende Jugendwahn Altern zur selbst verschuldeten Schwäche. Es heisst zwar: «Sechzig ist das neue vierzig», doch weil sich konkrete Altersangaben sofort mit einem inneren Bild verknüpfen – vom eigenen Grosi etwa –, lautet die zeitgemässe Schmeichelei: «Dafür siehst du aber noch gut aus!»

Im Kapitel «So arbeiten Journalisten fair» rät der Schweizer Presserat dazu, in Interviews «das Verbot, gewisse Fragen zu stellen», öffentlich zu machen. Den plumpen Vertuschungsversuch im vorliegenden Fall hat die unerschrockene Journalistin in vorbildlicher Weise vereitelt.