100 Wörter: Bleierne Stille
Keine weiteren Fragen wurden gestellt, als der Bericht zur Neuausrichtung der Altlastensanierung vorgestellt wurde. Das lag daran, dass niemand auch nur ein Wort von dem, was gesagt worden war, verstanden hatte. Da es sich bei den Zuhörenden jedoch um genau die Personen handelte, die mit der Neuausrichtung betraut waren, hatte die bleierne Stille etwas Beunruhigendes, ja Panisches. Das war der Direktorin, einer ausgewiesenen Kommunikationsfachfrau, durchaus bewusst, und so erzählte sie eine Anekdote aus ihrem Privatleben, die ihre Untergebenen derart konsternierte, dass sie jeglichen Sinn für die grösseren Zusammenhänge verloren und die Altlasten einfach umdeklarierten, wodurch sich die Situation sogleich entspannte.
Stephan Pörtner ist Krimiautor («Köbi der Held», «Stirb, schöner Engel») und lebt in Zürich. Im Juni ist sein neuer Krimi «Mordgarten» erschienen, der in der Siedlung einer Wohnbaugenossenschaft spielt und unter www.woz.ch/shop/buecher erhältlich ist. Für die WOZ schreibt er Geschichten, die aus exakt 100 Wörtern bestehen. www.stpoertner.ch