Kultour

Nr. 21 –

Theater

«Switzerland’s Next Top Problem 2014»

«Hunger for Trade» nennt sich ein global vernetztes Theaterprojekt, das auf die Probleme des globalisierten Nahrungsmittelhandels aufmerksam machen will – mit thematisch wie künstlerisch eigenständigen Zugängen aus neun verschiedenen Ländern, darunter Burkina Faso, Rumänien, Südafrika und auch die Schweiz. «Wir subventionieren Milch, privatisieren Wasser, schliessen Menschen schwarzer Hautfarbe aus, wo immer wir können, und wir horten euer Geld.» So werben die beiden Performancekünstler Mirko Winkel und Martin Schick für ihren Schweizer Projektbeitrag des Konzert-Theaters Bern. Sie veranstalten einen absurden Wettbewerb mit bizarren Kriterien rund um die Frage, welches die problematischsten Nahrungsmittel in unseren Supermarktgestellen sind. 35 Produkte sind von ExpertInnen ausgewählt worden, an vier Abenden treten diese im Schlachthaus-Theater gegeneinander an. Das Achtelfinale beginnt am Dienstag, 27. Mai 2014, um 19 Uhr.

«Switzerland’s Next Top Problem 2014» in: Bern Schlachthaus Theater, Achtelfinale Di, 27. Mai 2014, 
19 Uhr; Viertelfinale Mi, 28. Mai 2014, Halbfinale 
Do, 29. Mai 2014, Finale Fr, 30. Mai 2014, jeweils 19 Uhr. 
www.schlachthaus.ch

Franziska Meister

Konzert

Akkordeonale

Quetschkommode, Schweineorgel, Schifferklavier, Blasebalg der Hölle oder asthmatischer Wurm: Das Akkordeon kennt viele Namen, und es gibt das Instrument in vielen verschiedenen Typen. Sie unterscheiden sich in Grösse, Form, Systemen, Tonumfang und Spieltechnik. Für die diesjährige Akkordeonale in Zug hat der Niederländer Akkordeonist Servais Haanen MusikerInnen aus der ganzen Welt eingeladen, um die kulturelle Vielfalt des Akkordeons zu feiern. Mit der Brasilianerin Adriana de Los Santos tritt eine Frau auf, die sich in einer musikalischen Männerdomäne behaupten kann: der Gaucho-Musik, der Musik der ländlichen Viehzüchter. Mit ihrer Frauenband tritt sie in ihrer Heimat an Rodeos, Motorradtreffen und Grillpartys auf. Auch Raquel Gigot tingelt mit ihrem Akkordeon seit Jahren durch ihre Heimat Belgien und tritt sowohl in grossen Konzertsälen wie auch in kleinen Kneipen auf. Zu hören sind in Zug ausserdem der Iraner Gulam Kerimzade, der Serbe Jordan Djevic sowie der Gastgeber Servais Haanen.

Akkordeonale in: Zug Chollerhalle, Sa, 24. Mai 2014, 20.30 Uhr. www.chollerhalle.ch

Silvia Süess

Im Soundlabyrinth von Sartorius

Den Schlagzeuger Julian Sartorius habe ich erst einmal spielen gehört, an einem Sommerendfest in einem Strandrestaurant an der ligurischen Küste. Es gab keine Bühne dort und kein Schlagzeug, Sartorius packte bloss seine Drumsticks aus und trommelte auf der Terrasse zum Meer fein auf ein Geländer. Er klopfte die Terrasse ab, später den ganzen Pavillon, immer neue Töne erklangen – und wären Dampfer am Horizont aufgetaucht und hätten mit ihren Schiffshörnern gegrüsst, es hätte mich nicht mehr überrascht. Sartorius zählt zu den innovativen SchlagzeugerInnen der Schweiz, ständig auf der Suche nach neuen Klängen, wie er mit seinem «Beat Diary» dokumentiert hat, für das er 365 Tage im Jahr, einer Feldforschung gleich, ein neues Geräusch aufgenomment hat.

Zusammen mit dem Lyriker Jürg Halter, auch bekannt als Kutti MC, und einem Organisten hat Sartorius auch schon das Berner Münster als Klangkörper untersucht. Nun nimmt er die Dampfzentrale in Beschlag – zusammen mit 23 MusikerInnen. Unter dem Titel «Joyful Noise in the Dark» werden sie die Hallen in voller Dunkelheit bespielen. Die BesucherInnen sind zu einem Rundgang eingeladen, auf dem bewusst jegliche konventionelle Konzertsituation vermieden wird. Weder sind die MusikerInnen – unter ihnen Big Zis, Strotter Inst. oder Hans Koch und Martin Schütz – zu sehen, noch bleibt die akustische Wahrnehmung gleich. Je nach Rundgang verändert sich das Konzert in diesem Soundlabyrinth.

«Joyful Noise in the Dark» in: Bern Dampfzentrale, Samstag, 24. Mai 2014, 21 Uhr. www.dampfzentrale.ch

Kaspar Surber

Diskussion und Fest

Planet Föhn

«Jeder hat das Recht, mit sich und seinem Körper zu machen, was er will. Er darf sich berauschen, er darf sich aufputschen und sich dabei auch selbst schädigen. Das ist ein Rechtsstaatsprinzip erster Ordnung.» Dies schrieb der 2011 verstorbene Drogenexperte Günter Amendt vor Jahren in der WOZ.

Wie man sich berauschen kann, was während eines Rauschs mit einem so passiert und warum wir uns berauschen: Solche Fragen werden während zweier Tage im Restaurant und Kulturlokal Heitere Fahne in Bern diskutiert. Nebst Referaten zur «geistigen Auseinandersetzung mit dem Thema Rausch aus nachtlebenssoziologischer, psychologischer, religionswissenschaftlicher und kreativer Perspektive» lädt die «Heitere Fahne» auch ein, den Rausch selber zu erleben: mit einem üppigen Rausch-Essen am Samstag (mit Voranmeldung), das anschliessend zu senegalesischen Rhythmen von Silaba Kora verdaut werden kann. Am Sonntag gibts unter anderem Warm-up-Yoga, einen Rausch-Pfad mit Tanzmusik und eine Trip-Performance.

«Planet Föhn» in: Bern Heitere Fahne, 
Fr, 23. Mai 2014, 18 Uhr, und Sa, 24. Mai 2014, 10 Uhr. 
www.dieheiterefahne.ch

Silvia Süess

Festival

Abenteuer für die Augen

Sein Tod im Februar dieses Jahres war den meisten Schweizer Medien nur eine Kurzmeldung wert, die einzige ausführliche Würdigung ist in der WOZ erschienen: Stuart Hall (1932–2014), britischer Soziologe mit jamaikanischen Wurzeln, linker Theoretiker und Pionier der Cultural Studies. Oder wie sein Landsmann, der Filmemacher John Akomfrah, sagt: eine «Pop-Ikone mit Hirn». Akomfrah hat dieser Ikone einen ganzen Film gewidmet: «The Stuart Hall Project» (2013) heisst die dokumentarische Collage, die jetzt an der Videoex in Zürich zu sehen ist – zusammen mit «Handsworth Songs» (1986), Akomfrahs Essay über die Rassenunruhen in Birmingham.

Ein grosser Schwerpunkt am diesjährigen Festival für experimentelle Filme ist Italien gewidmet. Die Reise führt in dreizehn Etappen quer durchs letzte Jahrhundert: Das Programm reicht von den beiden einzigen erhaltenen Filmen aus dem Kreis der Futuristen über die restaurierte Fassung von Pier Paolo Pasolinis Essay «La Rabbia» (1963) bis hin zu den schonungslosen TV-Satiren von Daniele Ciprì und Franco Maresco. Eine umfassende Werkschau ist den filmischen Gedichten der deutschen Künstlerin Ute Aurand gewidmet, eine andere dem in der Nähe von Zürich lebenden US-Avantgardisten Robert Beavers, der mit seinen Filmen die «Erweckung des Sehens» probt. Und wer ohne Furcht ist, freut sich auf die Horrornacht mit dem Kultfilm «Begotten» (1991) von E. Elias Merhige – ein erklärter Lieblingsfilm von Susan Sontag und laut US-Kritiker Richard Corliss ein «Rorschachtest für das abenteuerlustige Auge».

Videoex in: Zürich Kunstraum Walcheturm, Kanonengasse 20, 24. Mai bis 1. Juni 2014. Spielzeiten und Informationen: www.videoex.ch.

Florian Keller

Stadtrundgang

«Räuber und Gendarme»

Jenseits der Trampelpfade touristischer Stadtrundgänge bieten junge HistorikerInnen in immer mehr Städten spannende Alternativen an: thematische Erkundungsgänge in vergangene Zeiten, mit einem Fokus auf Vergessenes und Verdrängtes, auf Geschichten, die mehr über die politischen und sozialen Hintergründe der Zeit verraten als die offizielle Stadtgeschichtsschreibung. In seinem neusten Stadtrundgang «Räuber und Gendarme» begibt sich der Verein Kehrseite Winterthur auf die Spuren des Verbrechens, vom mittelalterlichen Giftmord bis zum «Terroristenprozess» der achtziger Jahre. Dabei geht es um mehr als Folterpraktiken und anarchistische Gewalt. Zum Beispiel um die marginalisierte Figur des Henkers (und Folterknaben), der aufgrund seiner anatomischen Kenntnisse den Aufstieg in ehrbarere Berufsgefilde schaffte. Und was haben Flugzeugentführungen und eine Schiesserei zwischen palästinensischen Militanten und einem israelischen Sicherheitsmann am Flughafen Kloten 1969 mit Winterthur zu tun? Ab Samstag, 24. Mai 2014, klären Miguel Garcia und Markus Gafner auf ihrem Rundgang auf.

«Räuber und Gendarme – Auf den Spuren des Verbrechens» in: Winterthur, ab Sa, 24. Mai 2014, 
10 Uhr, immer freitags um 15 Uhr und samstags um 10 Uhr. Weitere Informationen und Tickets unter www.kehrseite-winterthur.ch.

Franziska Meister