Fussball und andere Randsportarten: Kalte Füsse im Rüebliland
Über die Pflicht zur Rasenheizung in einer untergehenden Epoche.
Die meisten Teams der Super League des Schweizer Fussballs spielen in modernen Arenen, die in den letzten zehn Jahren erstellt worden sind. Diese Arenen erfüllen heutige Bedürfnisse nach Wirtschaftlichkeit, Sauberkeit und Sicherheit. Wer diese Bedürfnisse definiert, ist nicht ganz klar. Klar scheint bloss, dass sie allgemeine Gültigkeit haben.
Zu den wenigen Klubs, die so ein neues Stadion mit Mantelnutzung und VIP-Logen noch nicht gebaut haben, gehört der FC Aarau. Dass Aarau den Ligakonkurrenten stadiontechnisch hinterherhinkt, hat verschiedene Gründe, aber es bedeutet nicht, dass die Profis des FCA gegenüber ihren Gegnern auch spielerisch im Rückstand sind. Im altehrwürdigen Brügglifeldstadion, das in den letzten Jahrzehnten mit dem Verein gewachsen ist, lässt sich bis heute problemlos attraktiver Fussball spielen, wie das Team auch in dieser Saison eindrücklich beweist. Denen, die dort regelmässig zu den Spielen pilgern, fehlt nichts. Sie lieben dieses in die Jahre gekommene Stadion, das den nostalgischen Charme einer untergehenden Epoche ausstrahlt.
Allerdings durfte der FC Aarau sein Stadion in den letzten Saisons immer nur dank Sonderbewilligungen der Liga benutzen. Die Swiss Football League wünscht sich nämlich schon lange, dass alle Klubs der obersten Spielklasse in modernen Tempeln auflaufen. Praktisch alle Super-League-Klubs sind stadionmässig, wie erwähnt, auf dem neusten Stand. Bei den Aarauern dauert es mit dem neuen Stadion ein bisschen länger, weil frühere Projekte entweder an Volksentscheiden oder an Geldmangel gescheitert sind.
Nach langen Jahren des Planens wäre jetzt endlich ein Projekt vorhanden, das von der Bevölkerungsmehrheit akzeptiert würde und auch finanziell zu stemmen wäre. Eine letzte Einsprache verzögert zurzeit noch den Baubeginn, aber auch diese Hürde dürfte, mittelfristig gesehen, zu nehmen sein.
Eigentlich gibt es also überhaupt kein Problem, denken Sie jetzt vielleicht. Das alte Brügglifeld hat das, was in manchen Wohnungsinseraten «Cache» genannt wird. Die Fans stehen nahe am Geschehen und eng beieinander. Das Team spielt erfrischend nach vorne. Die Klubverantwortlichen haben ihre Hausaufgaben gemacht. Das neue Stadion ist fertig entworfen. Und auch die einzige Einsprache wird irgendwann alle Instanzen durchlaufen haben. Also läge nichts näher, als dass die Entscheidungsinstanzen der Liga die Spielbewilligung für das Brügglifeld auf Zusehen hin von Jahr zu Jahr verlängern.
Interessanterweise ist nun aber von einer neuen Auflage die Rede. Die Liga schreibt den Klubs für die nächste Saison eine Rasenheizung vor. Die Rasenheizung gehört bei neuen Stadien offenbar zur Grundausstattung. Im Brügglifeld müsste eine solche Anlage jedoch erst eingebaut werden. Die Kosten hierfür sollen sich auf drei Millionen Franken belaufen. Der Vereinsvorstand von Aarau ist der nicht ganz unvernünftigen Ansicht, dass es wenig sinnvoll ist, in ein Stadion, dessen Tage gezählt sind, noch eine Bodenheizung einzubauen. Trotzdem pocht die Super League auf heissen Rasen. Ohne heissen Rasen gibt es keine Lizenz. Ohne Lizenz gibt es keine Zukunft für den Spitzenfussball in Aarau. Ohne Spitzenfussball gibt es auch kein neues Stadion. Der Teufelskreis scheint sich zu schliessen.
Der alte Proletariersport Fussball ist schon jetzt daran, eine Elite zu schaffen, die meilenweit vom Breitensport entfernt ist. Fast das ganze Geld, das in den Fussball fliesst, bleibt bei dieser Elite. Die zehn Teams der obersten Liga haben bald alles, alle anderen nichts. Die Bodenheizung ist das vorderhand letzte Element eines Trends, der wohl nicht mehr aufzuhalten ist.
Der FC Aarau könnte zum Opfer dieser Entwicklung werden. Wer jetzt noch keine Bodenheizung hat, bekommt fast zwangsläufig kalte Füsse.
Pedro Lenz ist Schriftsteller und lebt in Olten. Das Aarauer Brügglifeld gehört zu seinen Lieblingsorten im Land, auch ungeheizt.