Ausserdem: Verschleiernde Fremdenfeindlichkeit
Die Gesellschaft für praktische Sozialforschung des Politologen Claude Longchamp hat letzte Woche die Studie «Zusammenleben in der Schweiz 2010–2014» publiziert. Im Auftrag des Bundes ist erstmals über einen längeren Zeitraum hinweg die rassistische Einstellung der Schweizer Bevölkerung untersucht worden.
Der Hauptbefund der Studie überrascht zunächst: Dreizehn Prozent der hier lebenden BewohnerInnen haben eine rassistische Haltung – ein sehr tiefer Wert angesichts von dreissig Prozent WählerInnenanteil für die gerne mit rassistischen Ressentiments spielende SVP. Der Grund für den tiefen Wert ist die umstrittene Unterscheidung zwischen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, die von der Studie vorgenommen wird. Der Anteil an fremdenfeindlichen Einstellungen ist nämlich doppelt so gross. Dabei verstehen die AutorInnen der Studie unter Fremdenfeindlichkeit «eine diffuse, nicht unbedingt ideologisch begründete Haltung, die auf einer allgemeinen Ablehnung von ‹Überfremdung› beruht und eine übermässige restriktive und selektive Zuwanderungspolitik wünscht». Diffus bleibt an dieser Definition von Fremdenfeindlichkeit nicht nur die Haltung an sich, sondern auch die Abgrenzung zum Rassismus. Angesichts der politischen Realitäten in diesem Land wirkt die begriffliche Unterscheidung der Studie durchaus verschleiernd.
Die Studie ist in einem zweiten Punkt problematisch. Als Grundlage diente ein umfangreicher Fragebogen, den insgesamt rund 5000 Personen ausgefüllt haben. Die Fragen lauteten etwa: «Leben Ihrer Meinung nach gegenwärtig zu viele, gerade angemessen viele oder zu wenige AusländerInnen in der Schweiz?» oder «Spielt es für Sie eine Rolle, welche Nationalität, Religion oder Hautfarbe Ihre Nachbarn haben?». Es waren Fragen, die allesamt auf der Ebene der individuellen Haltung haften blieben. Dort liefert die Studie seriöse und erhellende Befunde, während die Ebene der rassistischen Strukturen in unserer Gesellschaft komplett vernachlässigt wird. Insofern wäre eine ergänzende Studie wünschenswert, die beispielsweise das Ausmass von diskriminierenden Polizeikontrollen untersucht.