Diesseits von Gut und Böse: Democrazia Direttissima

Nr. 16 –

Vier Tage vorm Zürcher Wahlsonntag hörte ich auf dem Anrufbeantworter die sympathische Stimme einer älteren Dame: Die SP in unserm Quartier wolle die Wählerinnen und Wähler motivieren, auch wirklich wählen zu gehen, «wenns goht natürli», sagte die freundliche Genossin. Sie bat, «d SP-Lischte Numere zwei iizrüere und vilicht Jacqueline und Mario Fehr uufzschriibe. Das wär schön. Ich wünsch Ihne en schöne Abig – Danke!»

Offenbar wars «schön» genug, denn beide wurden gewählt, und die SP hat sogar im Kantonsrat einen Sitz mehr gewonnen. Also kann ich offen sein: Ich dachte nämlich, ich hör nicht richtig! Dass man in den USA von Haus zu Haus geht, um Stimmende zu gewinnen, weiss ich. Doch die schlichte Bitte, einfach KandidatInnen aufzuschreiben, ohne dafür einen einzigen inhaltlichen Grund zu nennen, fand ich ziemlich krass.

Ist es aber nicht; denn fast siebzig Prozent der wahlberechtigten Bevölkerung sind offenbar mit den Verhältnissen so zufrieden, dass ihnen komplett am A**** vorbeigeht, wer da gewählt wird. Weshalb es auch völlig egal ist, ob die wählenden dreissig Prozent nur Namen aufschreiben, die sie irgendwo gehört oder gelesen haben.

Drum sollte die neu gewählte CVP-Kandidatin Silvia Steiner dem Dignitas-Gründer Ludwig A. Minelli jetzt mal einen dicken Blumenstrauss vorbeibringen. Und noch eine Kiste Wein.