Diesseits von Gut und Böse: Der ideale Bürger
Für jemanden wie mich, die ich von Grenzen und kollektivem Nationalstolz wenig halte, ist die Idee bestechend: So viele Pässe haben, wie man möchte, visafrei in alle Länder reisen und sich im schönsten niederlassen. WeltbürgerIn sein, gewissermassen.
Natürlich gibts das längst, vorausgesetzt, man kann mal eben eine Million lockermachen. «Citizenship by Investment» nennt sich das Geschäftsmodell, also Staatsbürgerschaft gegen Investition, bei dem diverse Staaten gut betuchten InvestorInnen ihren Pass anbieten. Neben kleinen Karibikparadiesen wie Antigua oder St. Kitts tun es auch diverse EU-Staaten wie Malta, Spanien, Portugal oder Österreich.
Das vermittelt die Firma Henley & Partners, die kürzlich ins Dolder Grand Hotel zum Meeting lud. Der smarte Schweizer Vertreter antwortete in der Sendung «10 vor 10» auf die Frage, ob er den Passhandel nicht unethisch finde: «Wir handeln nicht damit – wir bringen Investoren, also sehr gute Personen, die ideale Bürger sind, zu Staaten.»
Weniger gute Personen haben es schwerer. Die zahlen zwar viel weniger, kriegen aber keinen Pass und können froh sein, wenn sie lebend am Ziel ankommen, an dem sie meist wieder zurückgeschickt werden. Das ist unangenehm für die armen Leute. Bisher ist Europa nicht viel eingefallen, um sie vor ihrem Bewegungsdrang zu schützen.