100 Wörter: Strohmänner und Alibifrauen
Das mittlere Kader des äusserst verwinkelten Treuhandbüros Hartmeier taumelte seit längerer Zeit führungs- und orientierungslos über die Schleichwege und Abkürzungen der Geldwirtschaft. Spezialisiert auf trübe Geschäfte mit lichtscheuen Gestalten, hatte das Unternehmen das Verschleiern von Geschäftstätigkeiten und das Verwässern von Gewinnen und Geldströmen zu solcher Perfektion entwickelt, dass nur noch das alleroberste Topmanagement wusste, was genau gespielt wurde. Da dieses aus Angst vor Bussgeldern aus Strohmännern und Alibifrauen bestand, war es jedoch unmöglich, dieses Wissen anzuzapfen. Die verbleibenden Führungskräfte kamen nach Analyse der vorhandenen Daten langsam zum Schluss, dass sich sowohl Chefetage wie Betriebskapital unwiederbringlich aus dem Staub gemacht hatten.
Stephan Pörtner ist Krimiautor («Köbi der Held», «Stirb, schöner Engel», «Mordgarten») und lebt in Zürich. Für die WOZ schreibt er Geschichten, die aus exakt 100 Wörtern bestehen. Im Dezember 2014 hat die WOZ eine Auswahl unter dem Titel «100 Mal 100 Wörter» als Buch herausgegeben. Es ist ebenso wie «Mordgarten» unter www.woz.ch/shop/woz-buecher erhältlich. www.stpoertner.ch