Diesseits von Gut und Böse: Selber schuld, Schätzli!

Nr. 27 –

Vermutlich kümmerte sich Valentin V. (55, verheiratet, zwei erwachsene Kinder) früher nicht mehrheitlich um den Nachwuchs, sondern überliess das seiner Gattin. Unbekannt ist zudem, ob der Beruf, den Frau V. erlernt hat, die Familie ernährt hätte. Nötig wars wohl nicht, denn Herr V. war schon in den neunziger Jahren in leitender Funktion tätig. Heute ist er Präsident des Arbeitgeberverbands und natürlich gegen Mindestlöhne. So fand er 2012 laut «Blick»: «Wenn ein Mann seine Familie nicht ernähren kann, soll die Frau einspringen oder das Sozialamt.»

In der «NZZ am Sonntag» hat er jetzt erklärt, weshalb Frauenlöhne oft nur zum «Einspringen» reichen: Frauen arbeiten «aufgrund familiärer Verpflichtungen eher Teilzeit und in Tieflohnbranchen wie etwa dem Gesundheitswesen» und «meiden den Konflikt», Männer hingegen «hauen auf den Tisch für mehr Lohn».

Nun fordert die Bundesverfassung zwar gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit, erwähnt aber nirgends die Pflicht, dafür auf den Tisch zu hauen. Doch vielleicht sollten all die Pflegefachfrauen, Kindergärtnerinnen und Coiffeusen den UnternehmerInnen und ParlamentarierInnen, die Teilzeitstellen für Männer, Vaterschaftsurlaube und angemessene Löhne in «Tieflohnbranchen» für volkswirtschaftlich nicht vertretbar halten, die Bundesverfassung mal kräftig um die Ohren hauen.