Im Affekt: So gesehen ist das ein guter Bond

Nr. 48 –

Nach all den Evaluationen, die dem neuen Kulturteil vorausgingen, kamen wir zum Schluss: Es herrscht zu viel Nüchternheit in diesen Spalten. Immer dieser Hang zur Analyse! Fast so schlimm wie bei der NZZ, wo sie nun sogar eine liberale Agenda buchstabieren. In elf Folgen! Wer will das lesen? Abhilfe schaffen können drei Zauberwörter, die den Journalismus immer wieder gerettet haben: Liebe, Zorn, Schnelligkeit. Zeit also für diese Rubrik mit Lob und Kritik, geschrieben im Affekt, kurz vor Redaktionsschluss. Über hochtrabende wie über alltägliche Themen, die wir hier sonst gerne übersehen. Etwa den neuen James-Bond-Film.

Es wäre selbstverständlich ein Leichtes, diesen Film zu kritisieren. Da hat alles so schön begonnen am Tag der Toten in Mexiko, eine karnevaleske Verwechslungskomödie bietet sich an, doch stattdessen sprengt Bond ein erstes Gebäude in die Luft, und schon kreist auch der erste Helikopter. Helikopterszenen! Nie weiss man dabei, wo oben ist, wo unten, und dann kommen noch ständig die Rotoren dazwischen. Passenderweise endet der Film in der Bruchlandung eines Helikopters.

Solch kleinliche Kritik würde aber doch die Weltphilosophie unterschätzen, die mit den Bond-Filmen verbreitet wird. Seit Jahrzehnten leben sie von der Faszination für Geheimdienste, weshalb man auf den ersten Bond nach der NSA-Affäre gespannt sein durfte. Wenn ich in «Spectre» alles richtig verstanden habe, wollen die Bösen einen Geheimdienst, der allein mit technologischer Überwachung funktioniert, und die Guten einen, in dem es in entscheidenden Momenten weiterhin den handelnden Menschen braucht. Soweit durchaus beruhigend.

Noch zwei Dinge sind zu loben: Die protofaschistischen Alpenlandschaften wirken schauerlich, ebenso der schneidige Aufzug von Bösewicht Christoph Waltz, der auch wegen seines österreichischen Akzents durchaus an Jörg Haider erinnert. Eine treffende Zeitdiagnose ist auch die Szene, in der Bond in der Fitnessklinik-Skistation einen Gemüsedrink ablehnt, weil er keinen Martini bekommt.

So gesehen ist dieser Bond durchaus gelungen: Siehe, es braucht den Menschen noch, die Faschisten sehen einfach schlechter aus, und im Zweifel bestellen wir einen Martini.

Anmerkung der Abschlussredaktion: Auch Bonds Anzüge sind wieder ganz toll.