Im Affekt: Leonardos Gespür für echten Schnee
Sie sassen alle bequem, als der Mann auf der Bühne seine unbequeme Wahrheit aussprach: «Der Klimawandel ist real, er passiert genau jetzt.» So sprach Leonardo DiCaprio in seiner Dankesrede, in der Hand den Oscar, den er gerade gewonnen hatte für seine Überlebensübung im Western «The Revenant». Der Mann weiss, wovon er spricht, schliesslich hat er die Verheerungen des Klimawandels während der Dreharbeiten letztes Jahr am eigenen Leib erfahren: «Es war das heisseste Jahr der Geschichte, unsere Produktion musste an den südlichsten Zipfel des Planeten ausweichen, nur um Schnee zu finden.» Kein Schnee in Kanada? Dann fliegen wir den ganzen Filmtross halt schnell nach Feuerland, inklusive CO2-Kompensation, man hat ja doch ein ökologisches Gewissen.
Klar, man hätte die Szenen vermutlich auch mit Kunstschnee drehen können, haben wir bei unserem «Heidi» auch so gemacht. Und gerade in Hollywood gehört die technische Beschneiung, ob analog oder digital, ja eigentlich zum handwerklichen Basiswissen, wo doch sogar die täuschend echte Bärenmutter, die Leonardo im Film fast zerfleischt, am Computer entstanden ist.
Aber egal, die erbarmungslose Natur in «The Revenant» sollte sonst halt möglichst authentisch und natürlich sein in ihrer Erbarmungslosigkeit, und so ein echter argentinischer Schnee dort unten in Feuerland macht nun mal die authentischere Westernkulisse als eine künstliche Schneedecke in der kanadischen Wildnis oder, Gott behüte, in einem sterilen Filmstudio in Hollywood. Und das kann man von einem Meister der Schauspielkunst nun echt nicht erwarten, dass er bei seinen vorgespiegelten Todesqualen auch noch glaubwürdig mit den Zähnen klappert, obwohl er doch mit jeder Faser seines Körpers spürt: Der Klimawandel ist real, er passiert genau jetzt.