Im Affekt: Was tun? Fuck you!
Der Historiker wusste nicht weiter. «Was tun?», hatte Jonathan Pärli sein Intermezzo zur Abstimmung über die Asylgesetzrevision überschrieben, bei «Who Takes the Rap?», einem Abend zum Asylrecht im Zürcher Kino Uto. Was tun, wenn eine verbesserte Rechtsvertretung nur zum Preis einer neuerlichen Verschärfung zu haben ist? Wenn, wer das verschärfte Asylgesetz ablehnen will, mit der SVP ins Boot steigen muss? Am Ende musste Pärli gestehen, dass er sich mit seiner Ansage übernommen hatte: Er wusste auch keine Antwort.
Die Musik hatte dann zwar auch keine Abstimmungsparole zu bieten, aber die einzig richtige Antwort auf das Dilemma parat. Auf die Bühne traten Kay-Zee und die Sängerin Signup von None of Them, und ihre einzige Parole war: «Fuck you!» Ad infinitum in allen Variationen und Tonlagen, monoton oder melodisch, gehüpft wie gesprungen: «Fu-hu-hu-huck you.»
Diese Musikalität der wüsten Rede! Diese Eloquenz im beschränkten Wortschatz! Dazu tanzte Signup barfuss im nachtblauen Kleid über die Bühne, dass man sich auf den Monte Verità versetzt fühlte, circa 1917. Dabei ist das wortgewaltige Mantra viel jünger: Die Nummer heisst «Phuck U Symphony» und stammt im Original von Millie Jackson, 1979 erschienen auf dem Album «Live & Uncensored».
Klar, im demokratischen Prozess kriegt man mit solchem Vokabular nichts geregelt. Und wer am 5. Juni «Fuck you» auf den Stimmzettel schreibt, muss davon ausgehen, dass die Stimme für ungültig erklärt wird. Aber dafür ist die Kunst ja da: als Ventil, das uns wenigstens für den Moment von dem Triebstau befreit, den eine solche realpolitische Zwangslage verursacht. Wie schon Adorno bemerkte: Beides ist beschissen, beziehungsweise das Ganze ist unwahr. Da hilft nur eines, auch wenn es nichts hilft: Fuck you! Der Mittelfinger ist fakultativ.