Kost und Logis: Verdammt fleissige Hippies

Nr. 19 –

Bettina Dyttrich über gute Projekte gegen Food Waste

Im Herbst 2012 brach Balz Jaeggi zu einer Veloreise auf. Nicht nur zum Vergnügen: Der damals Zwanzigjährige wollte herausfinden, «was ich Sinnvolles tun kann mit meiner Zeit auf der Welt». Die Antwort fand er am Strassenrand: Es war Erntesaison, und auf den Feldern lag Ausschussgemüse. Das könnte man doch alles noch essen, dachte Jaeggi.

Als Jaeggi im folgenden Sommer ein Festival mitorganisierte, setzte er sich ein Ziel: Die Mahlzeiten sollten aus Ausschussgemüse sein. Und bio. Die Suche nach ProduzentInnen gestaltete sich schwieriger als erwartet. Aber als die Kontakte einmal geknüpft waren, wollten es Jaeggi und seine FreundInnen nicht beim einmaligen Einsatz belassen. So entstand «Bio für Jede».

Inzwischen wird der sogenannte Food Waste breit diskutiert, und Jaeggi ist zum Experten geworden. Er weiss, dass Gemüse nicht nur im Kompost landet, wenn es eigenwillige Formen hat. Sondern auch, wenn ein kleiner Teil einer Charge beschädigt ist – zu teuer, ihn von Hand auszusortieren. Oder wenn der Salat, den der Produzent zu einem vereinbarten Termin an die Migros liefern sollte, zehn Tage zu früh reif wird.

Heute engagieren sich etwa siebzig Leute ehrenamtlich für «Bio für Jede». Sie kaufen auf Biohöfen Ausschussgemüse und stellen an Kulturanlässen ihren Stand auf. Dort kann man Gemüse und vegane Mahlzeiten zu einem freien Preis kaufen – alle bezahlen, was sie sich leisten können oder wollen. Konkurrenziert das nicht den regionalen Biohandel? Diese Frage nähmen sie sehr ernst, sagt Balz Jaeggi: «Falls es sich zeigt, dass das so ist, müssen wir unser Preis- und Vertriebskonzept überdenken. Aber eigentlich wollen wir Leute ansprechen, die wenig Geld haben und heute bei Denner oder Aldi einkaufen.»

In der Schweiz wird ein Drittel der Lebensmittel verschwendet. Das Gemüse auf dem Feld ist dabei ein kleiner Teil; viel mehr vergammelt in Privathaushalten. Wie sich das verhindern lässt, zeigt das neue Kochbuch «Restenlos glücklich» mit Rezepten von Profikoch Mirko Buri. Er weiss, was man mit Reis- oder Racletteresten, abgelaufenen Osterhasen oder ärgerlichen Weihnachtsguetsli anstellen kann. Auch aus Hörnli macht er ein Dessert, und altes Brot wird zur Lasagne. Zwischen den Rezepten stellt das Buch Menschen vor, die sich gegen Food Waste engagieren: die GründerInnen der «Äss-Bar» mit ihren Backwaren vom Vortag, die Maturandin, die das Thema erforscht hat, den Mann, der aus liegen gebliebenem Obst Gourmetsäfte presst.

Viele, die etwas gegen die Verschwendung tun, sind jung. Oft klingen sie wie Hippies – aber verdammt fleissige Hippies. Bei aller berechtigten Kritik an Ich-AGs und Projektarbeit: Diese Generation hat gelernt, Ideen umzusetzen. Ein bisschen öffentliche Unterstützung würde allerdings nicht schaden. Doch der Bund hat seine geplante Sensibilisierungskampagne gestoppt. Wenn die Rechten sparen, tut es an vielen Ecken weh.

Bettina Dyttrich ist WOZ-Redaktorin.

«Bio für Jede» sammelt Geld für ein Hauptquartier: www.100-days.net/en/projekt/bio-fuer-jede-headquarters.

Mehr zum Kochbuch «Restenlos glücklich»: www.ogg.ch.