Im Affekt : Die Liebe in Zeiten des Erich Honecker

Nr.  44 –

Die Abrechnung ist legendär, knapp tausend Wörter stark, und er gibt sich darin alle Mühe, anständig zu bleiben, aber ganz am Ende rutscht es ihm halt doch raus, da nennt er ihn, immer noch mit einem Rest vergifteter Liebe, ein «kleines Mozartarschloch».

Er, das ist der Schauspieler und Sänger Manfred Krug (1937–2016), der im Januar 1993 im «Spiegel» mit Günther Fischer abrechnet, dem Bandleader und Komponisten, mit dem er in den frühen Siebzigern in der DDR vier Platten aufgenommen hatte. Zum Beispiel «Das war nur ein Moment» von 1971, ein Strauss Lieder voller stilistischer Kapriolen zwischen Jazz und Schlager. Irrwitzig die Arrangements von Günther Fischer, unerhört die Lässigkeit, mit der Krug wie liebestrunken durch seine bieder-abgefahrenen Texte swingte: «Dann lud ich dich noch zum Kaffee / In mein möbliertes Zimmer ein / Wir sassen auf dem Kanapee / Und tranken nach dem Kaffee Wein.» Liebe in Zeiten des Erich Honecker.

Erst nach der Wende erfuhr Krug aus seinen Stasi-Akten, dass Fischer ihn, den schon damals hochdekorierten, aber ungebrochen aufmüpfigen DDR-Künstler, jahrelang bespitzelt hatte. Den offenen Brief an seinen einstigen Weggefährten schreibt er aus enttäuschter Liebe, als selbstauferlegte Strafaufgabe: «Ach, Günthi, der liebe Gott in seiner Unergründlichkeit hat Dir ein gutes Gehör geschenkt, aber alles, was zwischen Deinen Ohren liegt, und alles, was darunter und darüber liegt, das ist ein grosser Haufen Du-weisst-schon.»

Warum nur hat er das getan, der Günthi? Er, der ja nicht einmal eine «Päderastenneigung» gehabt habe, mit der man ihn hätte erpressen können? Krug kann es auch zwanzig Jahre danach nicht verstehen, aber das «Kuschelbedürfnis mit der Macht», so wird er später in einem Interview mit der «Berliner Zeitung» feststellen, sei wohl bei vielen Leuten gross gewesen, und das sei ja sehr deutsch: «Je autoritärer die Macht, desto grösser der Spass am Kuscheln.»

Ein letztes Wort noch von Manfred Krug, passt auf jeden Grabstein: «Lieber eine kräftige Traurigkeit als einen schlappen Optimismus.»