Im Affekt: Schöne neue Arbeitswelt

Nr. 40 –

«On the Road» von Jack Kerouac ist ein Schlüsselroman für jene, die Abenteuer und Freiheit nach amerikanischem Vorbild suchen. Dass sich dieses Lebensgefühl nicht ohne Reibungsverluste importieren lässt, zeigt bereits der deutsche Titel: «Unterwegs». Auf einen Schlag ist sie weg, die Romantik der endlosen Weiten. Unterwegs ist man vielleicht mit dem Tram zur Zahnärztin in Altstetten, sicher aber nicht quer durchs Land auf der Ladefläche eines Pick-ups.

Umso gespannter blickt man nun auf die Swisscom. Die importiert nämlich gerade riesige Mengen slogangewordener Versprechen. Wie der «Tages-Anzeiger» berichtet, will sich das Unternehmen im Wettbewerb behaupten, indem es sich Methode und Sprache der Tech-Konzerne aneignet: Gearbeitet wird bei der Swisscom nicht länger in Gruppen, sondern in «Squads» (Truppen), zusammengeschlossen sind sie nicht etwa in Abteilungen, sondern in «Tribes» (Stämmen), geführt nicht von einer Leiterin, sondern dem «Tribe Leader» (StammesführerIn). Gearbeitet wird im «Scrum» (Gedränge), denn das ist besonders «agile». Scheitern ist weiterhin erlaubt, wenn auch unter gewissen Bedingungen: «Fail early, fail fast, fail cheap». Bei so vielen Begriffen kann man schon mal den Überblick verlieren. Intern werde deshalb bereits vom «Buzzword-Bingo» gesprochen.

Und hier kommt das «Human Centered Design» (HCD) ins Spiel. HCD ist eine Denkweise, die verhindern soll, dass beim Telekommunikationskonzern die Kundenperspektive aus dem Fokus gerät. 60 MitarbeiterInnen beschäftigten sich mit der Sicht der Kundschaft, bis 25 von ihnen kürzlich an Creaholic ausgelagert wurden, ein Innovationsunternehmen, das im weitesten Sinne mit der Erfindung von Erfindungen wirbt. Das Aufstöbern von Innovation hat für die Swisscom höchste Priorität. Um keinen Trend zu verpassen, betreibt sie im Silicon Valley eine Aussenstelle. Unklar ist, ob diese Aussenstelle MitarbeiterInnen im Aussendienst beschäftigt. Gesichert scheint dagegen, dass diese nicht «unterwegs» wären zu den KundInnen, sondern irgendwo «on the road».

Vor kurzem lagen die WOZ-Telefone (Swisscom) mehrere Tage lahm – die «Tribes» waren wohl anderweitig beschäftigt.