Sachbuch: Klimawunder

Nr. 40 –

Wenn das Wetter spinnt, die Temperatur steigt und die Politik schläft – wie gern glaubte man an Wunder! Was den Klimawandel angeht, spricht einiges dafür, dass das Wunder im Boden schlummern könnte: Böden speichern mehr Kohlenstoff, als sich in Form von CO2 in der Atmosphäre befindet. Und weil die Wissenschaft die Böden lange vernachlässigt hat, ist mit Überraschungen zu rechnen. Mit bösen, wenn Permafrostböden auftauen und das Treibhausgas Methan freisetzen. Oder mit positiven, wenn die Landwirtschaft so neu ausgerichtet wird, dass sie Kohlenstoff speichernden Humus aufbaut statt zerstört.

Wie das gelingen könnte, zeigen die Journalistin Ute Scheub und der Geograf Stefan Schwarzer in ihrem Buch «Die Humusrevolution». Sie stellen zahlreiche Beispiele vor, wie man den Boden besser bewirtschaften und so der Klimaerwärmung entgegenwirken kann. Nicht immer ist dabei ganz klar, welche Betriebe das Autorenpaar selbst besucht hat und über welche es aus zweiter Hand berichtet. Die vorgestellten Betriebe machen alles richtig und verdienen erst noch gut dabei. Warum bloss tun es ihnen nicht alle nach?

Weil, so Scheub und Schwarzer, diesen «Daviden» ein grosser, böser «Goliath» entgegensteht: die Agrarindustrie und die mit ihr verbandelten Regierungen. Das trifft gewiss nicht ganz daneben: Macht ist ein wichtiger Faktor. Er erklärt, weshalb vieles falsch läuft. Und Macht haben die, die daran interessiert sind, dass es so weitergeht wie bisher. Aber als einzige Erklärung ist es dann doch ein wenig dünn. Das Buch verspricht nicht Linderung, sondern die Lösung. Mittels Humusaufbau könne der CO2-Gehalt der Atmosphäre, je nach Schätzung, binnen 25 bis 50 Jahren auf ein vorindustrielles Niveau gesenkt werden. Was sie nicht schreiben: Um das zu erreichen, müsste innert Kürze sehr viel mehr Humus aufgebaut werden, als die Landwirtschaft seit ihren Anfängen vor 10 000 Jahren weltweit abgebaut hat.

Wir wären ja bereit, an Wunder zu glauben. Aber der Überbringer müsste glaubwürdig sein. Unkritisches Schwarzweissdenken und eine Sprache, die lieber flott ist als präzis, sind dafür ungeeignet. Schade.

Ute Scheub und Stefan Schwarzer: Die Humusrevolution. Wie wir den Boden heilen, das Klima retten und die Ernährungswende schaffen. Oekom Verlag. München 2017. 240 Seiten. 29 Franken