LeserInnenbriefe: Psychotherapie hilft!

Nr. 44 –

«Schizophrenie ist ein magisches Wort mit unheilvoller Wirkung», WOZ Nr. 37/2017

Marc Rufer plädiert, statt Neuroleptika zu verabreichen, als Mensch präsent zu sein und allenfalls ein Placebo einzusetzen. Deshalb verstehe ich nicht, warum er kein Wort über Psychotherapie verliert, denn PsychotherapeutInnen arbeiten ohne Medikamente, soweit es ihnen die aufgezwungene Delegation erlaubt.

Im Gesundheitswesen gibt es zwar genügend gut ausgebildete, eidgenössisch anerkannte PsychotherapeutInnen, und dennoch stehen zu wenig freie Therapieplätze zur Verfügung. Wer einen solchen sucht, muss oft sehr lange suchen. Um über die Grundversicherung abrechnen zu können, müssen sich PsychotherapeutInnen von einer Ärztin / einem Arzt mit Zusatzausbildung in Psychiatrie oder Psychosomatik anstellen lassen. Diese Delegation ist mit grossem Administrationsaufwand verbunden, den ÄrztInnen mehr und mehr scheuen. Wir sind die SpezialistInnen für Psychotherapie, doch ohne Kassenzugang können wir nur mit Menschen arbeiten, die über ein finanzielles Polster verfügen. Das ist unfair.

In einer vertrauensvollen therapeutischen Atmosphäre hingegen kann eine Beziehung entstehen, kann eine stärkere Identität heranwachsen. Gleichzeitig werden Ressourcen aktiviert, sodass ein neuer Weg (zurück) ins Leben möglich wird. Neuroleptika hingegen dämpfen das bestehende Problem «nur», doch die enormen Nebenwirkungen werden gerne verschwiegen. Zudem lösen sie – wie Marc Rufer sagt – irreversible Langzeitschäden aus.

Ja, PsychotherapeutInnen können durch jahrelange Erfahrung Betroffenen angstfrei begegnen. Sie wissen, dass jeder Klinikaufenthalt die Arbeits- und Lebenssituation der Betroffenen komplizierter macht, und sie haben das anzubieten, was Herr Rufer fordert. Warum werden PsychotherapeutInnen trotzdem viele Hindernisse in den Weg gelegt? Kann es sein, dass für einige Grossanbieter die Angst besteht, unsere – eher stille – Arbeit könnte ihnen das Geschäft mit der Krankheit vermiesen?

Wegen der strukturellen Probleme im Gesundheitswesen wurde 2013 ein neues Gesetz zu den Psychologieberufen (PsyG) verabschiedet. Seither herrscht Schweigen, die Umsetzung ist blockiert, denn es werden Ängste geschürt, das Gesetz sei mit grossen Kostenfolgen verbunden. Doch wurde berechnet, dass die gesamten Kosten für psychotherapeutische Massnahmen, wenn direkt über die Grundversicherung abgerechnet, ein Prozent der gesamten Gesundheitskosten ausmachen würden. Das ist nicht mehr als das, was die Medikamente-Selbstdispensation der Ärzte an Zusatzkosten generiert.

Meret Fankhauser, eidg. anerkannte Psychotherapeutin, per E-Mail