Diesseits von Gut und Böse: Köstliche Angstlust
Zwölf Jahre Merkel seien genug, schrieb NZZ-Chefredaktor Eric Gujer kürzlich in einem Leitartikel, die deutsche Kanzlerin habe nun lange genug «mit Stehvermögen und der Geduld einer Spinne in ihrem Netz die Geschicke des Landes bestimmt». Doch leider werde sich nicht viel ändern, denn: «Nach einer Achterbahnfahrt durchs wilde 20. Jahrhundert ist Deutschland Experimenten ohnehin abhold.»
Es geht doch nichts über ein treffendes Sprachbild. Auf einer Achterbahn, heisst es auf Wikipedia, können die Mitfahrenden «gefahrlos aussergewöhnliche Kräfte» erleben. Zur Beschreibung heftiger Gefühlsschwankungen erfreut sich die Metapher drum grosser Beliebtheit.
Besonders heftig waren die Gefühlsschwankungen, die Deutschland vor der letzten Jahrhundertmitte durchschüttelten; und weil man sich so lebendig fühlt, wenn man mit wehendem Haar und Schreien der Angstlust auf den Lippen gefahrlose Fliehkräfte erlebt, liess man gleich ganz Europa und die Welt mitfahren.
Die Jahre des Faschismus und zwei Weltkriege als Achterbahnfahrt zu beschreiben, gehört zu den irrsten Euphemismen, die mir jemals begegnet sind. Um im Bild zu bleiben: Millionen Menschen stürzten dabei in den Tod, und die anderen wollten lange nicht drüber reden. Aber inzwischen ist offenbar alles so lange her, dass der Abenteueraspekt wieder Fahrt aufnimmt.