100 Wörter: Bis ans Ende der Stadt

Nr. 18 –

Das Erreichen des Pensionsalters wurde zu einem immer wahrscheinlicheren Ereignis, sodass Traubentrog nach fast vierzig Jahren Pessimismus von einer verloren geglaubten Zuversicht erfasst wurde. Auf keinen Fall würde er sich beliebten Rentnerhobbys wie Gärtnern, Reisen oder Verfassen von Hasskommentaren im Internet widmen, sondern die verbleibende Lebenszeit dazu nutzen, täglich die exakt selbe Strecke von seiner Wohnung bis zur Stadtgrenze hin- und zurückzugehen. Damit würde er die Mär von der sich rasant verändernden Welt widerlegen und so der lästigen Pflicht entgehen, sich ihren Ansprüchen zu beugen. Bis sich eines Tages eine Baugrube vor ihm auftäte, in die er freiwillig fallen würde.

Stephan Pörtner ist Krimiautor («Köbi der Held», «Stirb, schöner Engel», «Mordgarten») und lebt in Zürich. Seine neue Gaunerkomödie «Die Bank-Räuber» tourt aktuell mit Beat Schlatter in der Hauptrolle durch die Deutschschweiz: www.diebankraeuber.ch. Für die WOZ schreibt er Geschichten, die aus exakt 100 Wörtern bestehen. Eine Auswahl unter dem Titel «100 Mal 100 Wörter» sowie «Mordgarten» sind im WOZ-Shop www.woz.ch/shop als Buch erhältlich.