Agenda
Schwarzmarkt am Berg
Haben sie die schwierige Wand überhaupt durchstiegen, obwohl sie weder einen Blog noch ein Fototagebuch dazu online geschaltet haben? Mit solchen Fragen müssen sich BergsteigerInnen von heute herumschlagen. Am Bergfahrtfestival in Bergün erzählt der Profibergsteiger Stephan Siegrist von Gratwanderungen und Spreizschritten zwischen Fels und Selbstvermarktung im Netz, aber auch von der notwendigen Verweigerung, um sich das Erlebnis nicht stehlen zu lassen.
Die etwas weniger abenteuerlich Veranlagten können dreissig slowenische Berge in 3D-Simulationen durchwandern oder lernen, wie man aus Alpenkräutern Pesto oder Mückenspray macht. Für alle gibt es Dorfführungen, Überraschungen in einem Turmzimmer, zwei Filme von Fredi Murer; Musik von Jodel mit Schlagzeug bis zu Jazz, Klezmer und einer Stubete; dazu Workshops, einen Vortrag aus dem Grönlandeis, eine Modeschau, Lesungen, Theater und je eine Foto- und eine Druckgrafikausstellung. Am Klischeeschwarzmarkt können alle ihre Berg(lerInnen)vorurteile auspacken und möglichst gewinnbringend und erst noch legal unter die Leute bringen.
Bergfahrtfestival Cultura Alpina in: Bergün/Bravuogn diverse Schauplätze, Fr–So, 1.–3. Juni 2018. Genaues Programm: www.bergfahrtfestival.ch.
Daniela Janser
Opulenz im Kleinen
In Uster könnte die Brache als Sinnbild für das Kulturleben missverstanden werden – nichts los in der Agglo. Doch das Gegenteil ist wahr, was jetzt einmal mehr bewiesen wird. Zum fünften Mal findet das feine Hinterhalt-Festival statt, durchgeführt von einer unentwegten Gruppe von lokalen KulturarbeiterInnen, jedes Mal auf einer anderen Brache. Wobei Brache diesmal nur bedingt zutrifft, lediglich ein Teil des bespielten Areals wird überbaut. Die Gärtnerei Ryffel wird weiter existieren, die mit ihren Gewächshäusern, schattigen Ecken und sonnigen Flecken den idealen Rahmen für das musikalische, theatralische und installative Treiben bietet. Kein Wunder, nennen sich einige der Attraktionen «Post Modern Plant Life», «Floras Garten» oder «Frank’s Fake Forest». Konzerte gibts etwa mit den Dead Brothers, Menschenstoff, Hans Hassler, Pflanzplätz und Kaos Protokoll.
Hinterhalt Festival in: Uster Areal der Gärtnerei Ryffel, zwischen Brunnen- und Asylstrasse, Fr–So, 1.–3. Juni 2018. www.hinterhalt.ch
Jürg Fischer
Klischee und Ausbruch
Gute Idee aus Winterthur: Noch bis Mitte Juni knallen im Kunstmuseum Reinhart am Stadtgarten unterschiedliche Bildwelten aufeinander. Oft stereotype Frauendarstellungen aus Männerhand prägten die Kunst während Jahrhunderten. Zur Weiblichkeit als idealisierter oder verteufelter Projektionsfläche kommt die ewige Rolle der Frau als Muse des Künstlers. Oder wie die Guerilla Girls schon in den achtziger Jahren im Rahmen einer Kunstintervention fragten: «Müssen Frauen eigentlich nackt sein, um überhaupt ins Museum hineingelassen zu werden?»
Diese männliche Übermacht wird in der Winterthurer Ausstellung mit zahlreichen Bildern aus den Sammlungsbeständen untermalt – vom Mittelalter bis in die Moderne. Dazwischengestreut sind Kunstwerke von Frauen, die den Männern seit den sechziger Jahren ihre «Obsession» (Sylvie Fleury) um die Ohren hauen und auch sonst die gezeigte Omnipräsenz des männlichen Blicks und Pinselstrichs radikal herausfordern. Und vielleicht erspäht man mit der Zeit dank dieser weiblichen Schützenhilfe von Pipilotti Rist über Nan Goldin bis zu Candice Breitz sogar subversive Pointen und aufmüpfige weibliche Blicke im Mainstream des (vermeintlich?) Stereotypen.
«Women – Frauenbilder durch die Jahrhunderte» in: Winterthur Kunstmuseum Reinhart am Stadtgarten. Bis So, 17. Juni 2018. www.kmw.ch
Daniela Janser