LeserInnenbriefe

Nr. 22 –

SP zu neoliberal

«Vollgeldinitiative: Über Sinn und Unsinn des vollen Geldes», WOZ Nr. 20/2018

Endlich eine Stellungnahme zum Thema Vollgeld! Der Artikel zieht das Fazit, dass nicht klar ist, ob die Vollgeldinitiative (VGI) viel verändern würde. Billigt man dem Vorschlag tatsächlich so wenig zu, dann geht es am 10. Juni erst recht – wie beim Geldspielgesetz auch – um eine Grundsatzfrage: Wollen wir privaten Unternehmen (Banken) das Privileg zusprechen, selbst Geld herzustellen? Oder ist die Herstellung von Geld eine Aufgabe für eine Institution mit Verfassungsauftrag (Nationalbank SNB)? In Zeiten, in denen der Service public von neoliberaler Seite immer mehr unter Druck gerät, lohnt es sich, darüber etwas länger nachzudenken. Dass sich auch die SNB der Gegenkampagne angeschlossen hat, zeigt schon mal, dass sie durch Annahme der VGI eben nicht mehr Macht erhalten würde, sondern einfach mehr Verantwortung wahrnehmen müsste.

Die bürgerliche Mehrheit des Parlaments setzt zudem alles daran, dass nötige finanzpolitische Reformschritte entweder blockiert oder auf ein wirkungsloses Minimum reduziert werden. So wurde im Herbst der Vorschlag abgeschmettert, die Eigenkapitalvorschriften für Banken auf zehn Prozent zu erhöhen.

Wenn sich nun VertreterInnen der SP im Nein-Komitee von ebendiesen ParlamentarierInnen instrumentalisieren lassen und argumentieren, statt der Vollgeldinitiative solle auf höhere Eigenkapitalvorschriften gesetzt werden, dann ist das entweder heuchlerisch oder traurig. Die Vehemenz, mit der sich die Parteileitung der SP gegen eine Initiative ausspricht, die vorhat, den Gewinn aus der Geldschöpfung der Allgemeinheit zukommen zu lassen, offenbart einen bedenklich neoliberalen Kurs. Dabei geht es doch um eine grundlegende Forderung seit 2009: Die Geschäftsrisiken der Grossbanken dürfen den Zahlungsverkehr nicht mehr lahmlegen können. Wer das Too-big-to-fail-Problem lösen will, stimmt am 10. Juni Ja zur Vollgeldinitiative.

Thierry Lustenberger, per E-Mail

Zwei Fragen

Erstens: Sollen weiterhin vier Fünftel des von Grossbanken geschöpften Geldes in undurchsichtige «Investitionen» des Finanzcasinos gehen und dadurch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit einen neuen Bankencrash herbeiführen, oder soll der Schweizer Franken wie eigentlich vorgesehen die Vergabe von Krediten an reale Unternehmen sowie von Hypotheken an Hauseigentümer ermöglichen?

Zweitens: Sollen Gewinne, die sich aus der Geldschöpfung ergeben (Seigniorage), weiterhin zu neunzig Prozent an Banken gehen, damit diese grosszügig Boni verteilen, enorme Bussen bezahlen und ihre Immobilien (oder wie im Fall der Credit Suisse sogar ihre Rettung!) mit selbstgeschöpftem Geld finanzieren können, oder soll einzig der Steuerzahler, das heisst wir alle, von der phänomenalen Möglichkeit, Geld aus dem Nichts zu kreieren, profitieren?

Mit einem Ja zur Initiative stimmen wir für ein gerechteres und sichereres Finanzsystem, dessen Vorteile uns allen zugutekommen.

Kurt Schneider, Thun