#digi: Milliarden für kluge Köpfe

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Es ist der grösste Deal, den es in der Softwarebranche je gegeben hat: IBM kauft für 34 Milliarden Dollar Red Hat. Facebook hat für Whatsapp nur 22 Milliarden bezahlt. Die meisten nutzen die Arbeit von Red Hat, wissen es aber nicht. Red Hat ist der Open-Source-Pionier schlechthin und bekannt für sein offenes Betriebssystem Linux, das jeder gratis nutzen kann. Red Hat machte im letzten Jahr einen Umsatz von drei Milliarden Dollar. Die Firma verdient Geld, indem sie Dienstleistungen statt Programme verkauft. Die Red-HaterInnen passen die Open-Source-Programme den Bedürfnissen des jeweiligen Unternehmens an und garantieren für viele Jahre den Unterhalt. IBM wird sie umsorgen müssen wie eigenwillige, zarte Wunderkinder. Denn IBM hat mit seinen Milliarden nicht geistiges Eigentum, sondern kluge Köpfe gekauft. Das eigentliche Vermögen von Red Hat sind seine 12 000 MitarbeiterInnen. Sie kennen jede Windung der Open-Source-Programme, pflegen sie und entwickeln sie ständig weiter.

Matthias Stürmer, der an der Uni Bern die Forschungsstelle Digitale Nachhaltigkeit leitet, hat kürzlich den Red-Hat-CEO Jim Whitehurst getroffen. «Er versteht sich als einer, der versucht, seinen cleveren Leuten alle Steine aus dem Weg zu räumen, damit sie sich ungestört ihrer Arbeit widmen können», sagt Stürmer. Er selber sei überrascht gewesen, dass IBM Red Hat übernehme. Aber wenn man es sich überlege, passe es schon. IBM selber hat immer wieder viel Geld in Open-Source-Projekte investiert. Wichtig sei nun, dass Red Hat seine Firmenkultur behalten könne und nicht die träge, hierarchische IBM-Kultur übergestülpt bekomme. «Bei Red Hat arbeiten die besten Open-Source-Programmierer. Wenn es ihnen nicht mehr wohl ist, gehen sie. Die kämen überall unter, weil man sie überall brauchen kann. Dann wäre Red Hat schnell nicht mehr viel wert.»

Viele Produkte und Programme enthalten Open-Source-Software. Matthias Stürmer vergleicht es mit der Autoindustrie. «Es gibt verschiedene Automarken mit verschiedenen Chassis, aber unter der Haube findet sich bei allen derselbe Motor. Genau so ist es auch bei Microsoft oder Apple, da steckt unter der Haube überall viel Open-Source-Software drin.»

Und was, wenn Red Hat innerhalb von IBM nicht gedeihen kann? Wäre schade, aber nicht der Weltuntergang: «Das ist das Tolle an Open Source: Die Leute verschwinden ja nicht, sie arbeiten dann einfach an einem andern Ort daran weiter», sagt Stürmer.