LeserInnenbriefe: Einfamilienhäuser für alle!

Nr. 46 –

«100 Jahre Landesstreik: Ein Programm für heute», WOZ Nr. 45/2018

Bravo! Endlich finden wieder einmal fortschrittliche Positionen Platz in der öffentlichen Diskussion. Wäre die WOZ eine Partei, ihr hättet meine Stimme. Ein wesentlicher Punkt jedoch fehlt mir im Programm für einen neuen Landesstreik, nämlich die Perspektive auf die Lage des heutigen Prekariats und die Verarmung breiter Teile der hiesigen Bevölkerung. Zwar wäre die 24-Stunden-Woche tatsächlich ein Ansatz, die vorhandene Arbeit auf verschiedene Schultern zu verteilen. Doch es braucht eine Perspektive für alle jene, die aufgrund fehlender Qualifikationen und der zunehmenden Leistungs- und Kompetenzorientierung auf dem Arbeitsmarkt keine Stelle finden, prekär beschäftigt sind oder denen durch die Revisionen der Sozialversicherungen die Leistungen abgesprochen werden. Deshalb ist die Forderung nach einer (bedingungslosen) und gesetzlich garantierten finanziellen Grundsicherung für alle unabdingbar.

Thiemo Legatis, Basel

Während sich die neun Punkte mehrheitlich mit meinen Vorstellungen und Ideen decken, ist der sechste Punkt, der «Rückbau der Einfamilienhäuser», völlig unverständlich. Dieser leiste einen Beitrag gegen die Zersiedlung, heisst es im Text. Wenn die dank verdichtetem Bauen und Eingrenzung der Zersiedlung gewonnenen Flächen als naturbelassene Flächen der Allgemeinheit überlassen würden, wäre das diskutabel. De facto werden diese Flächen doch wohl aber in der Landwirtschaft, in monokulturellem Anbau, durch Einzelne ökonomisch (aus)genutzt. Und, ist es nicht schon heute so, dass die Artenvielfalt in bewohnten Gebieten, insbesondere in Einfamilienhausquartieren, grösser ist als in landwirtschaftlich genutzten Räumen? Zusätzlich verteuert die Rationierung des Baulandes den Bodenpreis, was wiederum einer bestimmten Schicht zugutekommt. Sinnvoller wäre es doch, diese Flächen der Allgemeinheit günstig für Wohnraum zur Verfügung zu stellen.

Auch das zweite Argument, der Rückbau fördere das soziale Zusammenleben, überzeugt nicht. Wie das Zusammenleben mühelos durch den Zwang «möglichst dicht bei- und übereinander zu wohnen» gefördert wird, erschliesst sich mir nicht. Ist nicht eher das Gegenteil der Fall: Je höher der Dichtestress, desto asozialer? Wenn das Zusammenleben gefördert werden soll, dann müsste hierzu vielleicht eine entsprechende, passende Infrastruktur durch die Gemeinschaft zur Verfügung gestellt werden. Der neunte Punkt müsste daher lauten: «Einfamilienhäuser für alle (die das möchten)».

Jürgen Spielberger, Winterthur

Erstens: Tausend Dank für eure Arbeit! Zweitens eine Anmerkung zum Punkt sieben eures Programms, der radikalen Einschränkung des Flugverkehrs: Ich bin klar ein Fundi, der aber mit Nachdruck ein Realo ist. Die Fakten zu den Folgen des Fliegens für das Klima sind uns allen bekannt. Nur weil wir uns den Verzicht nicht vorstellen können und die Rechnung unseren Kindern und Enkeln überlassen, leisten wir uns diese Diskussion überhaupt. Drittens: Wollen wir die Einschränkung des Fleischkonsums noch als 7b anfügen?

David Schulze, Zürich Oerlikon

Mein zehnter Punkt für eure Liste: Ich warte zunehmend ungeduldiger auf die «Automatensteuer». Das Prinzip, dass die Arbeit besteuert wird, muss unbedingt auf alle Maschinen ausgeweitet werden, die eine Arbeit erledigen, die bis anhin von Beratungs- und Verkaufspersonal erfüllt wurde – und zwar unbedingt auf Kosten der Besitzer und Betreiber der Maschinen, da die Kundschaft einen grossen Teil der Arbeit, die früher von dem jeweiligen Personal erledigt wurde, erfüllen muss. Der Ertrag aus dieser Steuer soll die untersten Einkommen steuerlich entlasten, die ja mit diesen Maschinen unter Druck geraten sind oder weggespart werden.

Cornelia Wyler, Zürich

Mir fehlt ein Punkt im Forderungskatalog: Das Gesundheitswesen gehört – wie das Bildungswesen – ganz in die Hand der Öffentlichkeit. Die Zugänglichkeit für alle wird dank Steuereinnahmen garantiert.

Niklaus Baltzer, Bern

Da ist ein Programm gelungen, das eine ausreichende Grundlage für einen Generalstreik böte. Ich denke allerdings, dass in der realen Politwelt der Anreiz, das Programm mittels Streiks zu verhindern, grösser wäre, als es mittels Streiks zu verwirklichen.

Willi Schneider, Riehen