Im Affekt: O Trouble, reiss die Himmel auf

Nr. 51 –

Seht das Grauen! Überall Glühwein, Weihnachtsmärkte, Adventsterror. Der ganze verdammte Dezember ist vom konsumistischen Imperativ kolonisiert.

Gottlob gibts Evelinn Trouble. Damit wir trotz militanter Rundumbesinnlichkeit doch irgendwie zur Besinnung kommen, hat sie einen musikalischen Adventskalender ins Netz gestellt, wo jeden Tag ein neues Türchen mit einer Songminiatur aufgeht. Jedes Mal die gleiche scheppernde Fanfare, dann stimmen Frau Trouble oder befreundete Gäste wie Anna Rossinelli, Reverend Beat-Man oder Klaus Johann Grobe ein kurzes Liedchen an.

Manche begnügen sich mit einem ironisch scherbelnden Nostalgietrip – aber selbst da gibts doppelte Böden, wenn etwa Heidi Happy über eine scheinheilige Veganerin singt, aber im Swing der zwanziger Jahre. Immer mal wieder versteckt sich hinter einem Türchen ein echtes Bijou. Etwa bei Big Zis, die sich, zusammen mit Ester Poly, den «Chandelier» von Sia krallt und sich «von Arm- zu Arm- zu Armleuchter» schwingt, ein «trümmlige Siech» auf der Suche nach ein bisschen Wärme und Licht. Oder dann beim Duo Oy mit Joy Frempong, die mit «Golden Lights» eine schwelgerische Miniatur hinzaubert, so dunkelprächtig wie eine sternenklare Winternacht. Manuel Gagneux alias Zeal & Ardor schliesslich holt für den Adventskalender seinen anderen Künstlernamen, Birdmask, aus der Abstellkammer: Zu aufreizend verknappter Gitarre tippt er ein intimes Rencontre an, aus dem mittendrin plötzlich ein strammdeutsch klimperndes Jägerlied entweicht wie ein Furz.

Und immer wieder meldet sich auch die Chefin selbst zu Wort. In «365 Times 29» zählt Evelinn Trouble die Tage, die sie schon auf der Welt ist, bis ihr langweilig wird vom Rechnen und der Song in einem grossen Zahlenecho verhallt. Und in «Cupid Please Kill Me» träumt sie mal wieder von Pfeilen, aber diesmal bitte nicht in den Kopf, wie auf ihrem überirdischen Album «Arrowhead», sondern mitten ins Herz. Fest der Liebe, aber bitte mit Amor statt Jesus!

Den Adventskalender findet man unter www.trouble.christmas. Vom Christkind wünschen wir uns nur noch eine Playlist, wo man alle Songs in einem Rutsch hören kann.