Im Affekt: Filmschatz im Permafrost

Nr. 10 –

In dieser kleinen Filmgeschichte geht es um Elementares: Feuer, Wasser und Erde. Und um Gold. Viel Gold. Zum Ende des 19. Jahrhunderts wurde ein kanadischer Aussenposten am Fluss Yukon von Abertausenden von Goldjägern überrannt, die eine lebensbedrohliche Reise durch Schnee und Eis hinter sich hatten. Jahre später war der Goldabbau «industrialisiert» und Dawson City in ein florierendes Städtchen verwandelt: mit Casino, Schwimmbad und Kino, wo die Filme, nachdem sie im ganzen Land gezeigt worden waren, immer zuletzt ankamen.

Da die Verleiher keine Lust hatten, den Rücktransport der ausgespielten Stummfilme zu bezahlen, stapelten sich diese gefährlichen, weil hoch entflammbaren Nitratfilmschätze im abgelegenen Dawson bald haushoch. Ein Teil der Filmrollen verbrannte, zusammen mit den Gebäuden, in denen man sie eingelagert hatte. Ein weiterer Teil wurde mit allerhand anderem «Abfall» in den Fluss geworfen, und viele Filmdosen wurden einfach verbuddelt. 1978 grub man sie bei einem Aushub zufällig wieder aus. Zum Glück wurde rasch klar, welchen Schatz man hier geborgen hatte, galten doch bis dahin 75 Prozent aller je gedrehten Stummfilme als verloren.

Aus dem permafrostkonservierten, sorgfältig restaurierten Filmmaterial hat der US-Regisseur Bill Morrison einen faszinierenden Dokumentarfilm gedreht. In «Dawson City. Frozen Time» erzählt er die Geschichte vom Gold Rush in Dawson mit den Mitteln des Stummfilms und angereichert durch zahlreiche Ausschnitte aus dem im Erdreich gelagerten Filmarchiv. Dazu kommt historisches Foto- und Dokumentarfilmmaterial. Die Beschädigungen der geretteten Filme, die sich wie Pilzflechten oder blinde Flecken in die stummen Bilder hineinfressen, entwickeln ihren eigenen visuellen Sog. Je länger man schaut, desto mehr fühlt man sich selbst wie im Goldrausch – gebannt vom Unverhofften. Und vom traumtänzerischen Soundtrack des Sigur-Rós-Produzenten Alex Somers.

Lange vergriffen, gibts «Dawson City. Frozen Time» neu wieder als DVD. Nur in Englisch.