Im Affekt: Eine Träne für Žižek

Nr. 16 –

Wollen die gleich noch einen Liveticker schalten? «Die Welt ist gespannt», schreibt die NZZ in freudiger Erwartung des Kräftemessens, das am Karfreitag in Toronto zwischen dem Psychologieprofessor Jordan Peterson und dem Philosophen Slavoj Žižek über die Bühne gehen soll. Ein ausführlicher Artikel und ein Interview von Feuilletonchef René Scheu mit Žižek beschwören das intellektuelle Gipfeltreffen herauf. Eines eben wie das Fernsehduell zwischen Noam Chomsky und Michel Foucault von 1971, mit dem das Treffen in Toronto verglichen wird.

Bei Peterson, einem Liebling der antifeministischen Gegenrevolte, gibt es keine Zweifel, wo er politisch steht. Also konzentriert sich die NZZ auf Žižek. Dass auch er sich in diesem Zirkus vorführen lässt, ist immer noch schwer zu verdauen. Im Interview mit Scheu liess er seinen Ressentiments noch einmal freien Lauf: Die #MeToo-Bewegung, anfangs ja eine gute Sache, sei längst von «durchgeknallten Feministinnen» gekapert worden, denen es nur noch um Männerfeindlichkeit gehe.

Wie haben wir ihn geliebt, diesen verwahrlost wirkenden, wie besessen referierenden Kauz. Dafür, dass er einen Scheiss gab auf den guten philosophischen Stil, der uns an der Uni in belanglosen Traktaten vorgesetzt wurde. Vor allem aber für seinen renitenten Marxismus, der uns so subversiv vorkam: Da trat einer im bürgerlichen Feuilleton als «Starphilosoph» auf und forderte die Weltrevolution! Und sie schienen es nicht einmal zu merken.

Inzwischen scheint Žižek selbst nicht mehr zu merken, dass er von Leuten wie Scheu für ihre Zwecke eingespannt wird. Oder ist es noch schlimmer? Am Schluss des Interviews hat man schon vor Augen, wie er Peterson solidarisch herzt: «Peterson und ich, wir sind beide Outcasts. Wir werden beide von allen möglichen Gruppen geschnitten und müssen uns selbst durchschlagen», weint Žižek. Und auch wir verdrücken eine Träne.

Žižek hat erklärt, er wolle vorgehen wie John F. Kennedy im Duell mit Richard Nixon, also statt Peterson nur das Publikum direkt adressieren: «Wählt Bernie Sanders!»