Diesseits von Gut und Böse: Von Keksen und Kriegen
Guetsli, Plätzchen, Kekse – es gibt viele Wörter für die kleinen Dickmacher. Seit über hundert Jahren haben Schweizer Kinder Wernli gernli, und deutsche lieben die Leibniz-Butterkekse von Bahlsen. Vom guten Ruf der Betriebe, die solch herzige Backwaren herstellen, können Waffenschmieden und Rohstoffhandel nur träumen.
Bis das Image der Firma Bahlsen eine kleine, aber heftige Trübung erfuhr. Der Wirbel ging los, als Bahlsen-Erbin Verena, eine rot gelockte, fröhliche 26-Jährige, auf einer Tagung zur digitalen Zukunft verkündete: «Ich bin Kapitalistin. Mir gehört ein Viertel von Bahlsen, das ist toll. Ich will mir ’ne Segel-Yacht kaufen und solche Sachen» (handelsblatt.com).
Da kam einigen Menschen wieder in den Sinn, dass die Firma Bahlsen nicht nur – wie viele andere – im Zweiten Weltkrieg ZwangsarbeiterInnen aus Polen und der Ukraine beschäftigte, sondern sich auch bis zum Jahr 2000 weigerte, noch lebenden Betroffenen Entschädigungen zu zahlen. Gegenüber der «Bild»-Zeitung sagte die Erbin: «Das war vor meiner Zeit, und wir haben die Zwangsarbeiter genauso bezahlt wie die Deutschen und sie gut behandelt.» Stimmt leider nicht (vgl. «Die Zeit» Nr. 22/19).
Bei einem Familienvermögen von rund einer Milliarde sollten eigentlich auch ein paar Nachhilfestunden in Geschichte drin gelegen haben. Auf der Butterkekswebsite leibniz.de heisst es unter «Was bisher geschah» zum Jahr 1945: «Nach Krieg und Zusammenbruch galt es wieder einmal von vorn anzufangen.»
Macht nichts – die Befreiung von der Naziherrschaft als «Zusammenbruch» zu bezeichnen, kommt ja gerade weitherum wieder in Mode.