Im Affekt: Sie schreibt ja nur Kolumnen

Nr. 24 –

Wer profitiert davon, dass jedes Milieu versucht, «die grösstmögliche Diskriminierung für sich zu beanspruchen», dass sich alle ständig im Netz beschimpfen? Der Journalist Tobias Haberl hat die Antwort: Es ist Margarete Stokowski. Weil sie es irgendwie geschafft habe, daraus viele FollowerInnen in den sozialen Medien zu generieren. Dieser an sich schon seltsamen These will Haberl in seinem Porträt über Stokowski im Magazin der «Süddeutschen Zeitung» auf den Grund gehen: väterlich-herablassend, aber auch ein wenig väterlich-bewundernd. Ui, was für ein Lifestyle, die schläft tagsüber und arbeitet nachts, die kifft und sieht gefährlich aus, «dabei schreibt sie nur Kolumnen» – ja, ist es denn nicht genau das, was Haberl so in Aufregung bringt?

Stokowskis Auftreten an Lesungen beschreibt er als das eines «Stars», die «in einem Meer aus Jutetaschen-Menschen badet», die sie nach Belieben kontrollieren und zum Lachen bringen kann. Das verwirrt Haberl: Ist er doch überzeugt davon, dass Stokowskis radikale Haltung höchstens für eine kleine linke Bubble taugt. Aber woher kommt dann bloss dieser Erfolg? Das bringt ihn zur Unterstellung, Stokowski sei sowieso nur auf Fame aus, mit diesem Feminismus, der ja so «en vogue» sei und mit dem sich so gut Geld verdienen lasse. Und für den Fame brauche sie auch ihre FeindInnen, von denen sie auch profitiere; vielleicht geniesse sie den Hass sogar. Die narzisstische Freude, die es mit sich bringt, bekämpft zu werden: davon schreibt er, gleich nachdem er von Vergewaltigungsdrohungen erzählt, auch einer konkreten Morddrohung, die es Stokowski seit Tagen verunmöglicht, in ihrer eigenen Wohnung zu schlafen. Ja, wahrscheinlich geniesst sie das, klingt ja wirklich wunderbar.

Am Ende übrigens wird Haberl doch noch versöhnlich: Da wird er ganz warm, als er sieht, wie Stokowski ihrem Freund zulächelt und «nicht nur cool, sondern weich und bedürftig, schon unterhaltsam, aber nicht aufgedreht» sein kann. Ist eben doch eine richtige Frau. Was für ein Glück.

Das Problem am Feminismus, so Haberl: «Dass Männer und Frauen sich naturgemäss damit schwertun, sich in den jeweils anderen hineinzuversetzen.» Alles klar.