Im Affekt: Die Gesellschaft des Spektakels

Nr. 35 –

Von welcher Geistesgrösse stammt dieser Satz: «Kommunikation bedeutet Gemeinsamkeit»? Könnte das von Jürgen Habermas sein? Oder von Homer Simpson? Oder wars doch Mike Shiva? Alles nicht ganz richtig, es war Altbundesrat Moritz Leuenberger in seiner Jubiläumsrede zum 40. Zürcher Theater-Spektakel, die freundlicherweise von der «NZZ am Sonntag» abgedruckt wurde.

Kommunikation bedeutet Gemeinsamkeit? Etwas eigenwillig, diese Definition, aber lassen wir solche semantischen Spitzfindigkeiten mal beiseite. Der Magistrat im Ruhestand wollte mit seiner Sentenz ja vor allem dem zeitgenössischen Theater ins Gewissen reden. Ob dieses, so fragte er rhetorisch, nicht eine Mitschuld trage, wenn die Gräben in der Gesellschaft immer tiefer würden. Denn, so gestand Leuenberger: «Wie oft sitze ich in einem Stück und verstehe kein Wort.» Das ist natürlich ungünstig, aber es spricht irgendwie für den Feingeist Leuenberger, dass er offenbar unbeirrbar aufgeschlossen bleibt, was sogenannt schwierige Kunst angeht. Der Satz mit der Kommunikation und der Gemeinsamkeit klingt trotzdem extrem schief, wenn er an einer Kulturveranstaltung als verbindliche Maxime verkauft wird.

Das könnte daran liegen, dass Leuenberger ihn schon bei beliebigen anderen Gelegenheiten platziert hat, fast schon als Refrain seiner Referentenlaufbahn. Etwa, damals noch als Bundesrat, anlässlich der World Telecom in Genf, 2009. Oder dann als Gastredner vor dem Harbour Club in Zug, 2011. Oder am Luzerner Management Forum für die öffentliche Verwaltung, 2017. Ob der Satz dort jeweils besser gepasst hat als jetzt am Theater-Spektakel?

Darum hier zum Mitschreiben: Nein, Kunst kommt nicht von Kommunikation. Im Theater wie in jeder Kunst steckt immer ein Überschuss, der sich einem unmittelbaren Verständnis entzieht. Kunst ist nicht das, was sich immer gleich erschliesst, sie fängt oft erst dort an, wo wir etwas nicht verstehen. Kunst ist kein Communiqué.

Wenn man bei jeder Gelegenheit die gleichen Gedanken kommuniziert, stimmts natürlich irgendwann: Kommunikation heisst Gemeinsamkeit.