Im Affekt: Erklärbären mit beschränkter Haftung
Drüben beim «Tages-Anzeiger» haben sie letzte Woche in zwei Interviews eine neue Mutation des altgedienten männlichen Erklärbären entdeckt. Besonderes Merkmal: Er hat wenig Ahnung und ist stolz darauf.
Erstes Exemplar: der Schriftsteller Lukas Bärfuss, der in einem ganzseitigen Expertengespräch über neue TV-Serien referieren durfte. Sein Problem: «Sie dauern viel zu lange.» Darum hat er etwa von «Mindhunter» nur fünf Folgen geschaut, was ihn aber nicht daran hindert, seine Meinung dazu abzugeben. Ihm fehle schlicht die Zeit für stagnierende Konflikte, so Bärfuss, er habe schliesslich noch anderes zu tun: «Das Bad streichen zum Beispiel. Oder mal wieder einen Coq au vin kochen.» Offenbar kennt er sich beim Kochen ähnlich gut aus wie mit Serien. Einen Coq au vin, man weiss es, lässt man zugedeckt circa fünfzig Minuten schmoren. Reicht also prima für eine Folge «Mindhunter».
Aber Bärfuss weiss noch mehr: «Das wesentliche ästhetische Element des Films ist Schnitt und Montage.» Hans was Heiri, Lukas! Und das wesentliche ästhetische Element des Schreibens ist Syntax und Satzstellung. Womit wir beim zweiten Exemplar wären: dem Bestsellerautor Rolf Dobelli, der tags darauf in einem ganzseitigen Expertengespräch über Nachrichten referieren durfte. Die Pointe: Dobelli liest, hört und schaut aus Prinzip keine News, denn das seien «verseuchte Quellen».
Ob sie beim «Tages-Anzeiger» gemerkt haben, dass man Dobellis schlechte Meinung von den Medien nur unfreiwillig bestätigt, wenn man ihm eine ganze Seite für sein Halbwissen freiräumt? Von den aktuellen Bundesräten kennt «News-Rolf», wie er in der Bildlegende liebevoll genannt wurde, nur drei mit Namen, aber die seien ja alle austauschbar. Und Donald Trump könne er sowieso nicht beeinflussen, also brauche er auch nichts über ihn zu lesen.
«Ich möchte mein Hirn entlasten», so Dobelli. Wenn man dieses Interview liest, muss man sagen: Das zumindest ist ihm schon extrem gut gelungen.
Wir freuen uns auf die nächsten Expertengespräche: Bärfuss über französische Küche, Dobelli über antisemitische Bilder.