Bundesasylzentren: Prinzip Einschüchterung
Die menschenunwürdigen Zustände im neuen Bundesasylzentrum auf dem Duttweiler-Areal sind alles andere als überraschend. Die Empörung darüber zuweilen heuchlerisch.
Die Welle der Empörung um das neue Bundesasylzentrum (BAZ) in der Stadt Zürich ebbt nicht ab. Erstmals wurde ein BAZ sogar von behördlicher Seite gerügt: Der Zürcher Stadtrat Raphael Golta (SP) übte Mittwoch letzter Woche harsche Kritik am Anfang November eröffneten Zentrum auf dem Duttweiler-Areal.
Seit dem 1. März ist die Asylgesetzrevision in Kraft. Die hiesige Stimmbevölkerung hat die als human und fair angepriesene Revision vor drei Jahren mit deutlicher Mehrheit angenommen. Neu werden Geflüchtete bei ihrer Ankunft auf sechs «Bundesasylregionen» in verschiedene BAZ verteilt, wo sie auf ihren Entscheid oder die «Rückführung» – ein netter klingendes Wort für Ausschaffung – warten müssen.
Im Nothilfestatus
Asylpolitische Aktivistinnen und Beobachter beklagen die Zustände in den neuen Bundesasylzentren schon lange. Eine Gruppe, die im Sommer einen Augenschein aus nächster Nähe auf die verschiedenen BAZ nahm, kritisiert sie scharf: Diese ähnelten jenen in den Nothilfeunterkünften (NUK). Der Vergleich ist vielsagend. Denn in Nothilfe gerät, wer abgewieseneR AsylsuchendeR ist und die Schweiz nicht verlassen hat. Nothilfe bedeutet: 8.50 Franken Taschengeld täglich, sich ein Zimmer mit bis zu sieben Personen teilen müssen; oftmals darf die nähere Umgebung nicht verlassen werden. Der Alltag der NothilfebezügerInnen ist von Restriktion und Perspektivlosigkeit geprägt. Die Ähnlichkeit der BAZ mit den NUKs ist deshalb so alarmierend, weil er die Ausweitung des Zustands der Isolation und der Prekarität auf ausnahmslos alle Asylsuchenden signalisiert. Die Lebensbedingungen in den NUKs sind für sich schon ein Skandal.
Das Onlinemagazin «Das Lamm» veröffentlichte letzte Woche eine umfassende Recherche, die menschenunwürdige Verhältnisse im neuen Zürcher Zentrum aufdeckte. Am selben Abend beklagte der Zürcher Sozialvorsteher Raphael Golta ebendiese Zustände im Stadtrat. Er habe beim Staatssekretariat für Migration (SEM) interveniert, damit sich die Zustände auf dem Duttweiler-Areal schnellstmöglich verbesserten, schreibt der «Tages-Anzeiger».
Im BAZ auf dem Duttweiler-Areal müssen sich die Menschen bei jedem Eintritt einer Ganzkörperkontrolle unterziehen, Sicherheitsangestellte dürfen die Zimmer willkürlich durchsuchen – sogar nachts und ohne Vorankündigung –, und wer zu spät «heimkommt», muss im Eingangsbereich auf einer Matratze schlafen. Um Essen hineinzubringen, ist eine Quittung obligatorisch – um zu beweisen, dass nichts gestohlen ist. Alle diese Regeln zeigen: Die Führung der BAZ, die den Regeln des SEM unterstehen, ist von unverhältnismässigem Sicherheitsdenken bestimmt. Im Jahr 2019 gibt das SEM weitaus mehr Geld für Sicherheitsangestellte als für Betreuungspersonen aus. Anstatt sich auf eine verantwortungsvolle Betreuung von verletzlichen Personen zu konzentrieren, werden die Menschen eingeschüchtert.
«Prison, prison!»
Diese Zustände sind nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Man erinnere sich nur an die Aussage von SEM-Mediensprecher Daniel Bach in der «Neuen Zürcher Zeitung»: «Zürich hat die liberalste Hausordnung aller Bundeszentren schweizweit.» Der einzige Unterschied: Das BAZ in Zürich ist durch seine urbane Lage schwieriger zu ignorieren als beispielsweise das Bundesasylzentrum Glaubenberg. Dieses befindet sich zwischen Obwalden und Luzern auf 1500 Metern Höhe. Hierhin verirren sich höchstens ein paar SonntagsausflüglerInnen. Romantisch ist es hier oben nur, wenn man abends wieder in die warme Stube heimkehren kann, für die Asylsuchenden selbst ist es ein Gefängnis. Die InsassInnen des neuen BAZ in Zürich empfinden ihre Lage ähnlich – bei einem Besuch von SEM-Mitarbeitenden letzte Woche riefen sie laut: «Prison, prison!»
Klar ist: Stadtrat Raphael Goltas Empörung ist geheuchelt, denn die kaltschnäuzige Verwaltung von schutzsuchenden Menschen in den Schweizer BAZ war seit der Annahme der Asylgesetzrevision der Plan. Seine Partei, die SP, hat dieser Revision massgeblich den Weg geebnet. Der Druck gegen die unmenschlichen Zustände muss von der Zivilgesellschaft kommen.