Im Affekt: Liebe Protestierende, seien wir ehrlich!

Nr. 50 –

Demokratie ist schön und gut, zu viel davon aber schlecht fürs Geschäft. Die Geschichte lehrt uns: Die Besitzenden waren nicht immer immun gegen die Versuchung, ihre Pfründen auch mit rabiateren Mitteln zu schützen. Soweit ist es noch nicht, doch die Lage ist ernst, wie die «SonntagsZeitung» berichtet: Die Anzahl Demonstrationen habe rasant zugenommen, sodass das Blatt feststellt: «Durch die Strassen zu ziehen und für eine Sache einzustehen ist zu einem beliebten Happening für alle möglichen Gruppierungen geworden.»

Das Problem bei dieser Art «Happening» soll nun darin liegen, dass Demos für das Gewerbe Einbussen bedeuten: Wenn quasi permanent protestiert wird, werden die KundInnen vergrault, da sie weniger gewillt sind, sich zum Shopping in die Stadt aufzumachen: Schliesslich ist dort stets mit aufgebrachten kurdischen AktivistInnen und anderen Verkehrsbehinderungen zu rechnen. Besonders schlimm ist das am «Black Friday», wenn Rabattaktionen locken, die Klimajugend aber trotzdem losmarschiert, anstatt sich mit Unterhaltungselektronik auszustatten. Der Kommentator der «SonntagsZeitung» fordert daher, «dem Treiben ein Ende zu bereiten», denn: «Seien wir ehrlich: Die Wirkung der allermeisten Proteste ist gleich null.» Die Behörden sollten erwägen, Demos aus den Zentren zu verbannen.

Das ist eine glänzende Idee, denn wenn sich ohnehin schon immer weniger Menschen eine Wohnung in der Stadt leisten können, spricht ja nichts dagegen, auch jegliche Proteste in die Peripherie und am besten gleich aufs freie Feld zu verlegen. Dort ist Platz. Und in den Städten wäre wieder Ruhe im Karton.

Altphilologinnen und Wikipedia-Nutzer wissen: Der Begriff «Politik» leitet sich vom altgriechischen Wort «polis» (Stadt) her.