Unipolitik in Wien: Ein kritischer Windstoss

Nr. 51 –

Unter dem Motto «Uns reicht’s» drangen letzte Woche etwa hundert Wiener Studierende in den prestigeträchtigen Festsaal der Technischen Universität ein und besetzten ihn. Das Spektakel dauerte nur kurz – nach einigen Stunden wurde der Raum mit grossem Polizeiaufgebot geräumt. Wer sich zu gehen weigerte, wurde hinausgetragen. Nur kurz gewährt und doch erwähnenswert: Die Besetzung ruft das diesjährige Zehnjahrjubiläum der internationalen Proteste gegen die Bologna-Reform in Erinnerung. 2009 wurden in Deutschland, Österreich und der Schweiz Dutzende Vorlesungssäle besetzt, und Hunderttausende gingen auf die Strasse – für eine Hochschulpolitik für alle, frei von Kapitalinteressen.

Seither hat sich leider kaum etwas in die von den Protestierenden intendierte Richtung getan. Die europaweite Bologna-Reform, die 1999 von 29 europäischen BildungsministerInnen unterzeichnet wurde, brachte den Unis unter anderem das Punktesammelsystem (ECTS) und teilte das Studium in die Abschlüsse «Bachelor» und «Master». Die aktuellen Forderungen der Wiener StudentInnen klingen denn auch ähnlich wie jene vor zehn Jahren, zum Beispiel «Bildung statt Ausbildung»: Studiengänge sollen so ausgestaltet werden, dass sie eine kritische Forschung ermöglichen, anstatt in erster Linie auf die «employability» der Studierenden ausgerichtet zu sein. Weiter sind im Forderungskatalog ein Stopp der Verschulung, die Einführung einer Frauenquote sowie die Verankerung der Klimakrise als fester Bestandteil der Forschung aufgelistet. Zentral sind zudem die Abschaffung von Studiengebühren und die Stärkung der Unterstützung mittelloser Studierender, weil Bildung für alle, ungeachtet der sozialen Herkunft, zugänglich sein solle.

Die geringe Anzahl der Protestierenden in Wien verweist traurigerweise darauf, wie stark der Wind in den Segeln der studentischen Bewegung seit 2009 abgenommen hat. Ob der Geist von Bologna bereits alles kritische Denken erstickt hat? Auf Twitter vermeldeten die aufmüpfigen Wiener StudentInnen jedenfalls: «Wir kommen wieder, keine Frage!»