Im Affekt: Festhütte an der Falkenstrasse

Nr. 3 –

Am Samstag füllte die NZZ mehrere Seiten in eigener Sache, immerhin galt es, das 240-jährige Bestehen zu feiern: Die erste Nummer des Blattes erschien 1780, was fraglos lange her, streng genommen aber nicht wirklich ein rundes Jubiläum ist. Fast könnte man also argwöhnen, dass da jemand befürchtet, den 250. Geburtstag nicht mehr zu erleben.

Der Historiker Urs Hafner jedenfalls schilderte in einem lesenswerten Beitrag die Anfänge der NZZ im späten 18. Jahrhundert. Damals war Journalismus noch ein Beruf, mit dem man sich zwangsläufig Schwierigkeiten mit der Obrigkeit einhandelte, wenn man sich, wie die ersten Herausgeber und Redaktoren des Zürcher Blattes, «dem freien Denken, der Macht- und Sprachkritik» verpflichtet wähnte.

Von Machtkritik allerdings finden sich in der NZZ heute selten Spuren, seit sie sich obsessiv bemüht, von der «Systempresse» enttäuschte NeuabonnentInnen zu gewinnen. Davon zeugt auch der Leitartikel «Kann man Medien vertrauen?», in dem Chefredaktor Eric Gujer gleich mal den Ton vorgibt; rechts aussen ist es bekanntlich ein Gemeinplatz, dass die allermeisten Redaktionen links-grün versifft, also nicht vertrauenswürdig seien.

Ins selbe Horn bläst Gabor Steingart, früher Chefredaktor des Düsseldorfer «Handelsblatts», heute Verfasser eines Newsletters, den 140 000 Menschen abonniert haben sollen – vermutlich vor allem, weil er gratis ist. In einem ganzseitigen Interview verbreitet er jedenfalls entweder Plattitüden – pfiffig, diese Medien-Start-ups im Silicon Valley! – oder aber schürt Ressentiments: Auch laut Steingart kranke der Journalismus daran, dass ganze Redaktionen inzwischen «Lobbying für lauter gute Dinge betreiben – eine humane Welt, Tierschutz, weniger CO2». Was natürlich hochgradig bigott sei, da für die allermeisten KollegInnen gelte: «Grün wählen, aber abends fine dining.»

Man soll ja die Feste feiern, wie sie fallen. Partys aber, auf denen Gutmenschenkritik zu den bevorzugten Gesprächsthemen zählt, sind dringend zu meiden.

Oder um Steingarts Bigotteriebullshitbingo auf die NZZ anzuwenden: «Nach rechts schielen, aber mittags ins Yoga.»