Im Affekt: Showdown in Solothurn

Nr. 5 –

Wie steht es um den Schweizer Film? Für diese Frage geht man ja an die Solothurner Filmtage. Aber die bizarrste Einschätzung dazu verdankt man heuer nicht etwa dem Kino, sondern einem offiziellen Redner. «Wie geht es dem Schweizer Film? Schauen Sie mich an», sagte der Mann am Rednerpult, und dann ging er zu einer ziemlich getreuen Beschreibung seiner selbst über: wohlgenährt, in die Jahre gekommen, ein paar Falten im Gesicht …

War das Ricky Gervais, der sich hier nach Solothurn verirrt hatte, um die Nacht der Nominationen für den Schweizer Filmpreis zu moderieren? Nein, es war kein Komiker, der den Schweizer Film vor der versammelten Branche mit einem alten, weissen Mann verglich, nämlich mit sich selbst. Es war Ivo Kummer, seit 2011 Filmchef beim Bundesamt für Kultur.

Der Schweizer Film also: so jugendlich und frisch und aufgeweckt wie Ivo Kummer! Er hat das sicher ironisch gemeint, klar. Aber von wegen wohlgenährt: So frisch von der Leber weg sollte der oberste Filmförderer im Land vielleicht doch nicht von sich auf die Branche schliessen. «Schweizer Filmer nagen am Hungertuch», titelte nämlich nur zwei Tage später der «Tages-Anzeiger». Anlass war eine in Solothurn präsentierte Lohnstudie, die nachweist, dass sich die Honorare von Drehbuch und Filmregie in einem absoluten Tieflohnbereich bewegen, mit einem mittleren Bruttolohn zwischen 3000 und 4200 Franken im Monat. Wohlgenährt? Als Chefbeamter hat man da natürlich gut reden.

Dass Herr Kummer ohnehin nicht gerade Euphorie für das Schweizer Filmschaffen ausstrahlt, zeigte dann auch der denkwürdige Satz, mit dem er die Verkündung der nominierten Filme einleitete: «Ich verspreche Ihnen, es gibt kein Werk darunter, das so schlecht ist, dass man vor lauter Gähnen nicht pfeifen kann.» Eigentlich erstaunlich, dass da niemand gepfiffen hat. Vermutlich waren alle grad mit Gähnen beschäftigt.

Lohnkosten für eine gewöhnliche Vollzeitstelle beim Bundesamt für Kultur, gemäss aktueller Kulturbotschaft: 176 000 Franken pro Jahr.