Im Affekt: Oma, komm, erzähl vom Krieg!

Nr. 6 –

Krieg ist kein Spektakel. Wenn aber grosse Regisseure sich mit ihrem Drang zur Überwältigung in einen der beiden Weltkriege stürzen, wird unweigerlich eines draus – und jeder von ihnen zum General der Filmkunst.

Peter Jackson zum Beispiel hat Archivbilder aus dem Ersten Weltkrieg zu einer dokumentarischen Collage montiert, aufwendig koloriert und digital aufgebrezelt in 3-D («They Shall Not Grow Old»). Christopher Nolan hat die Schlacht um Dünkirchen als komplex verschachtelte Generalstabsübung auf unterschiedlich getakteten Zeitachsen orchestriert («Dunkirk», drei Oscars). Und jetzt verdichtet Sam Mendes den Ersten Weltkrieg in einer wahnsinnig ambitionierten Plansequenz zum immersiven Abenteuer im Schützengraben, wofür er am Sonntag folgerichtig ein paar Oscars erhalten wird («1917»).

Jeder dieser Filme zeigt: Krieg ist grauenvoll – aber halt auch ein geiler Ansporn für eine grandiose filmtechnische Meisterleistung, vor der dann alle Welt ehrfürchtig niederknien darf.

Alle drei Regisseure gedenken mit ihren Werken ihrer Grossväter, deren Kriegserfahrung sie zu diesen inspiriert hat. Das ist verdienstvoll, aber angesichts dieser Häufung fragt man sich: Hatte denn keiner dieser Filmemacher eine Grossmutter?

Wir freuen uns schon auf das überwältigende Kinospektakel, das endlich die Erfahrung der Frauen während dieser Kriege würdigt – aber bitte ebenfalls mit der totalen Ambition zum generalstabsmässigen filmtechnischen Stunt. Die Plackerei in der Fabrik oder auf dem Kartoffelacker als ausgeklügelte, atemberaubende Plansequenz! Die alltägliche Verrichtung der Hausarbeit als klaustrophobisches Abenteuer auf engstem Raum, begleitet von Kindergeschrei und Bombenalarm in Dolby Surround! Und unbedingt auch: Windeln waschen als immersive Grenzerfahrung in 3-D!

Wir sehen: Das Potenzial für filmische Höchstleistungen ist schier unerschöpflich. Traut euch, ihr Meisterregisseure, das seid ihr euren Grossmüttern schuldig.

Was wir umgekehrt auch unbedingt sehen wollen: etwa die Schlacht von Cherbourg, verfilmt von Sofia Coppola.