Im Affekt: Endlich unter sich
Dieses Coronavirus holt das Schlimmste aus den Menschen raus. Und damit meinen wir weder Husten noch Auswurf, sondern ganz andere Absonderungen und Ausschläge. «Wie schützen Sie Ihre Familie?» titeln die Zeitungen, als ob da gerade ein Rudel hungriger Wölfe um unsere Häuser schleichen würde. Bei allem medialen Alarmismus bleiben die wirklich krassen Auswüchse aber unterbelichtet. Kantonale Weisungen etwa, die nicht nur kürzlich aus sogenannten Risikogebieten Zurückgekehrte ins Visier nehmen, sondern gleich alle, die aus einem betroffenen Land «stammen» – egal ob sie schon jahrelang nicht mehr dort waren oder nicht –, was zu Passkontrollen vor Konzertlokalen führte, wie am Wochenende etwa in den Kantonen St. Gallen und Luzern zu beobachten war. Abgesehen davon, dass solche Einlasskontrollen nach Pass gegen die Verbreitung des Covid-19 natürlich überhaupt nicht helfen, offenbaren sie einen Überschuss an Abschottungsenergie, die sich ungehindert Bahn bricht: Das Böse kommt in jedem Fall von aussen und will die InländerInnen krank machen.
Endlich wieder unter sich sind auch die Begüterten und anderen Abo-BesitzerInnen in einem Genfer Theater. Die auf den billigen Plätzen wurden kurzfristig ausgeladen – und dies, obwohl die Obergrenze von tausend Menschen noch nicht mal erreicht war. Gehts hier um Bevölkerungsschutz oder vielmehr um das Hofieren von Reichen, die nun endlich nicht mehr mit dem Pöbel im selben Raum sein müssen? Da kann es kaum verwundern, dass im ganzen Coronafieber ExponentInnen der SVP gerade wieder am unangenehmsten auffallen. Sei es die Unternehmerin Martullo-Blocher, die sich per Gesichtsmaske vor einer Ansteckung durchs Parlament schützen wollte, oder Nationalrat Aeschi, der mit Testanrufen die Hotline des Bundes effizient blockierte. Derweil Roger Köppel nach Ascona reiste und ausgerechnet mit Selfies beweisen wollte, wie «zauberschön» und ungefährlich die Schweiz doch sei.
Nicht schlecht auch der Bergbahnmitarbeiter, der in der letzten «Arena» fand, die Leute sollten doch einfach mal zu Hause bleiben.