#digi: Algorithmus- Analphabetismus

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Internetdienste werden in der Schweiz viel genutzt, ihre Funktionsweise jedoch nur von einem Teil erkannt und wenig verstanden. Das ist eine Erkenntnis aus einer repräsentativen Umfrage des Instituts für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung der Uni Zürich. Die ForscherInnen wollten wissen, wie die Leute hierzulande etwa mit Google-Suche oder Facebook, aber auch Youtube, Netflix und Spotify oder Dating-Apps umgehen. Dienste also, bei denen die präsentierte Auswahl durch einen nichttransparenten Algorithmus gesteuert wird. Ein Drittel der Befragten hatte zum Beispiel keine Ahnung, dass bei der Google-Suche unterschiedliche NutzerInnen unterschiedliche Resultate erhalten können. Rund achtzig Prozent wussten nicht, dass auf Facebook die Newsfeeds nicht von dafür angestellten Personen, sondern durch Algorithmen zusammengestellt werden.

Michael Latzer, Professor für Medienwandel und Innovation, der die Studie leitete, sagt, ihn habe das mangelnde Wissen über die algorithmischen Selektionsanwendungen schon überrascht, würden die Leute die Suchmaschinen oder soziale Medien doch täglich nutzen. Die Leute hätten eine diffuse Vorstellung von Algorithmen, das fehlende konkrete Wissen löse jedoch ein Ohnmachtsgefühl und den Wunsch nach mehr Kontrolle der Anbieter aus, stellt Latzer fest. «Kompetenzen im Umgang mit Algorithmen sind ungleich verteilt und speziell bei Älteren, Frauen und niedrig Gebildeten gering.» Es reiche nicht aus, den Umgang mit algorithmengesteuerten Anwendungen in der Schule zu fördern, man müsse auch bei der Erwachsenenbildung ansetzen.

Im nächsten Forschungsprojekt, das das Institut angehen wird, geht es um maschinelle Datenüberwachung. «Gemeint ist die auf Big Data und Algorithmen aufbauende Kontrolle der Bevölkerung, die derzeit mit der Begründung der Bewältigung der Coronakrise weltweit von staatlicher Seite massiv ausgebaut wird.» Dabei interessieren auch die Abschreckungseffekte. Die gefühlte Überwachung führe zu einer Form von Selbstzensur, sagt Latzer. Die Leute getrauen sich nicht mehr, nach gewissen Informationen zu suchen oder ihre Meinung im Netz frei zu äussern. Das hat auch die aktuelle Studie offengelegt: Sechs von zehn Befragten glauben, akzeptieren zu müssen, dass es im Internet sowieso keine Privatsphäre mehr gibt.

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