Kost und Logis: Kunst in der Krise

Nr. 18 –

Karin Hoffsten über die unverschuldete Brotlosigkeit

Zurzeit denke ich öfter an den traurigen Hund, dem Donald Duck mittels einer von Daniel Düsentriebs Maschinen das Sprechen beibringen will. Doch der sagt nur immer wieder: «Schlechte Zeiten, Kamerad!» Zwar sind die Zeiten momentan nicht für alle schlecht, aber manche machen sich zu Recht Sorgen, etwa aus jenen Branchen, mit deren verwirrenden Arbeitsverhältnissen der «Gesetzgeber» nicht gerechnet hat, als er vor langer Zeit die entsprechende Grundlage schuf.

Dabei hat die sinnvollste Lösung zu deren Existenzsicherung in liberalen Kreisen leider keine Chance. Es gebe «zu viele Modedesigner und Künstler, die mit dem bedingungslosen Grundeinkommen mehr Freiheit für unprofitable Projekte gewinnen möchten», hiess es auf faz.net, sie müssten sich fragen, «ob wirklich die Mitmenschen ihre Selbstverwirklichung finanzieren sollen».

Aber laut Gesetz will die Arbeitslosenversicherung bei Erwerbsausfall ja «angemessenen Ersatz garantieren». Da die Möglichkeiten, per Videokontakt sein Geld zu verdienen, für Theaterschaffende beschränkt sind, melden sich einige in meinem Umfeld bei den zuständigen Kassen, um einen solchen zu beantragen. Normalerweise arbeiten sie in grösseren oder kleineren Projekten, finanziert aus unterschiedlichsten Quellen in verschiedenen Auftragsverhältnissen.

Doch vor der Auszahlung auch nur des geringsten Taggeldes kommt das Formular: Die «Arbeitgeberbescheinigung» unterscheidet zwischen Voll- und Teilzeitbeschäftigung, Heimarbeit, befristeter, unbefristeter, temporärer Anstellung oder Beschäftigung auf Abruf und setzt zudem eine «Normalarbeitszeit im Betrieb» sowie feste Stundenlöhne voraus.

A. sagt, sie habe im letzten Jahr achtzehn verschiedene ArbeitgeberInnen gehabt, und alle hätten einfach das angekreuzt, was ihnen richtig erschien. B. erzählt, auf der Website von Kulturbehörde X könne sie nur einen Antrag auf Überbrückungshilfe stellen, wenn er auf Y bewilligt sei, aber bei Y erwarte man, dass der Antrag bei X schon gestellt wurde.

C. hingegen arbeitet schon lange in einer kleinen Theatergruppe, bei der sich einige noch erinnern, wie man einst nach dem Auftritt die Gage bar auf die Hand bekam; doch nun zahlt man schon seit Jahrzehnten rechtschaffen Sozialversicherungsbeiträge.

«Schicken Sie das doch mal», hört C., als er sich bei der Kasse meldet. «Das» sind Lohnausweise und Salärverzeichnisse für die letzten fünf Jahre, C. schickt sie sofort. Doch weil auch die Mitarbeitenden von Behörden inzwischen an die Grenzen ihrer Kräfte geraten, bittet man ihn seit Wochen um Geduld. Manchmal fühle er sich wie in Kafkas Türhüterlegende, erzählt er: Ein Mann wird durch einen Türhüter sein Leben lang daran gehindert, durch ein Tor «in das Gesetz» einzutreten. «‹Es ist möglich›, sagt der Türhüter, ‹jetzt aber nicht.›»

Vorerst tröste er sich noch mit Hölderlin: «Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch.» Zum Glück ist C. belesen.

Karin Hoffsten fände eine Welt ohne Möglichkeiten der Selbstverwirklichung nicht erträglich.