Diesseits von Gut und Böse: Weder Schwestern noch Brüder

Nr. 20 –

Letzten Dienstag war Internationaler Tag der Pflege, der selbst in der Krise an einem ähnlichen Schicksal krankt wie der Muttertag: Für die Gefeierten gibts Beifall und warme Worte, womit man weder ganzjährige Überlastungen kompensieren noch die Miete zahlen kann.

Eigentlich ist der 12. Mai der «Tag der professionellen Pflege», denn er erinnert an den Geburtstag der Engländerin Florence Nightingale, die im 19. Jahrhundert die Grundlagen zum hoch spezialisierten Berufsfeld moderner Krankenpflege entwickelte.

Kaum überraschend, ärgerten sich nicht wenige VertreterInnen der Branche in Deutschland über die Videobotschaft ihres Bundespräsidenten, denn der würdigte alle: «Ärzte, Krankenschwestern, Pfleger» samt pflegenden Angehörigen. Das ist so, als ehre man am Tag der Apotheke (7. Juni) auch Wirtinnen und Dealer, weil sie biochemische Essenzen abgeben, oder am Weltschlagzeugertag (4. April) alle, die einigermassen rhythmisch auf Gegenstände hauen können.

In der Schweiz ist die Berufsbezeichnung zwar seit 2004 Pflegefachfrau und -mann, doch die «Krankenschwester» geistert noch immer herum und nervt. In Deutschland bleibt sie sogar gesetzlich geschützte Berufsbezeichnung, obwohl die Ausbildung jetzt auch dort zu Pflegefachfrau/-mann führt.

Die «Krankenschwester» leitet sich historisch von jenen Frauen ab, die sich einst im Dienst der Kirche um kranke Menschen kümmerten, und atmet noch immer den Geist umsorgender Weiblichkeit. Im Unterschied dazu blieb den Männern der Übergang vom Kloster- zum Krankenbruder erspart. Pflegefachkräfte sind bis heute mehrheitlich – gut qualifizierte – Frauen; sie «Krankenschwester» zu nennen, trägt dazu bei, den Beruf abzuwerten.

Man geht ja auch nicht mehr zum Wundarzt ins Siechenhaus.